Der BFV-Präsident besucht das Bezirksliga-Spitzenspiel zwischen Weißenburg und Zirndorf, im Vordergrund aber steht der Erfahrungsaustausch mit Vereinsverantwortlichen in Corona-Zeiten.
Als wäre Corona nicht schon genug, hat nun auch noch das Tief „Wicca“ den Tagesablauf von Jonas Herter buchstäblich durcheinandergewirbelt. Um 20 nach neun stand der einstige Regionalliga-Kicker des VfB Eichstätt, der nun gemeinsam mit Roland Mayer Fußball-Abteilungsleiter beim TSV 1860 Weißenburg ist, auf dem Platz, um zu sehen, was „Wicca“ über Nacht angerichtet hat: Regen, stürmischer Wind. Entwarnung. Der Rasen, einer von drei satten Grüns beim TSV, hat das Wasser bestens geschluckt, dem Spitzenspiel der Bezirksliga Mittelfranken Süd steht nichts im Wege, auch wenn der böige Wind zwei eigens für die Einlasskontrolle aufgebaute Zelte hat einknicken lassen. „Es gibt immer was zu tun, gerade jetzt“, weiß Roland Mayer.
Mayer und Herter wissen, wovon sie reden, denn seitdem nach der pandemiebedingten Zwangspause Fußballspiele in Bayern wieder ausgetragen werden dürfen und auch Zuschauer wieder zugelassen sind, ist der Aufwand nicht weniger geworden. Fast 500 Mitglieder zählt die Fußballabteilung und stellt damit ein Drittel der in 15 Sparten organisierten Sportler beim TSV von 1860. 16 Teams nehmen am Fußball-Spielbetrieb teil. „Drei Spiele“, sagt Herter, „kriegen wir organisatorisch locker an einem Tag hin, mehr aber wird knifflig, denn wir wollen die Hygienekonzepte anständig umsetzen.“ Ein Dutzend ehrenamtliche Mitstreiter sind diesmal im Einsatz, wenn Tabellenführer Weißenburg den Verfolger vom ASV Zirndorf empfängt: Kontaktdatenerfassung an den trichterförmigen Zugängen, rot-weißes Flatterband weist den Teams den Weg in die Umkleiden, jede zweite Dusche ist feinsäuberlich gesperrt, um den Mindestabstand gewährleisten zu können, dazu abgetrennte Zonen hinter den Trainerbänken und die Stimme von Alexandra Wagner-Hamm. Die Platzsprecherin wird nicht müde, regelmäßig auf die Abstandsregeln hinzuweisen und freundlich darum zu bitten, gegebenenfalls auch die Mund-Nasen-Bedeckung überzustreifen, sollte es mit dem Abstand nicht gehen. Es geht aber. Es ist perfekt organisiert beim TSV 1860 Weißenburg.
„Für uns ist es das zweite Wochenende, wir haben reichlich Erfahrungen aus dem Auftakt gesammelt und haben für uns einen Weg gefunden, um das alles hinzubekommen und die Gesundheit aller bestmöglich zu schützen“, sagt Roland Mayer. Rainer Koch, der Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV), ist nach Weißenburg gekommen, um sich persönlich einen Eindruck zu verschaffen, um Informationen aus erster Hand zu bekommen und zu sehen, wie sich der ehrenamtliche Amateurfußball in Bayern aufgestellt hat in einer so nicht gekannten Zeit. „Es sind die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die gerade auch jetzt ihren Verein nicht nur ein Gesicht geben, sondern Großartiges leisten“, sagt Koch: „Und all‘ denen möchte ich Danke sagen. Wir wissen um die schwierige Zeit, in der wir lernen müssen, bestmöglich mit der Pandemie zu leben. Die Alternative ist in meinen Augen keine, denn das würde das komplette Einstellen des Breitensports bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir Corona im Griff haben, bedeuten. Der Fußball aber kann es auf seine Weise schaffen, das Virus zu besiegen: indem wir Fußballspiele wie dieses heute hier in Weißenburg mit Vorsicht, Bedacht und gegenseitiger Rücksichtnahme organisieren und vorbildlich über die Bühne bringen.“
Schon jetzt, verdeutlichte Koch mit Blick auf den Re-Start vom 19. September, habe der Amateurfußball in Bayern ganz Großes geschafft, „weit über 9000 Spiele haben am ersten Wochenende stattgefunden, über 200.000 Buben und Mädchen, Männer und Frauen waren im Einsatz und haben sich vorbildlich verhalten. Das ist eine großartige Zahl. Und so, wie wir das heute hier in Weißenburg sehen, passiert das überall im ganzen Land. Darauf könnt, darauf müsst ihr stolz sein. Und ihr könnt Euch sicher sein, dass wir weiter mit Augenmaß für Erleichterungen kämpfen werden, denn klar ist: Wir dürfen Euch nicht überfordern. Deswegen setzen wir uns weiterhin für maßvolle Erleichterungen ein – und dass dies auch Gehör findet, unterstreicht unser gutes Verhältnis zu den politischen Entscheidungsträgern bei uns in Bayern“.
In Weißenburg ist es nicht die Umsetzung der staatlichen Regelungen hinsichtlich Hygiene und Abstand, die unlösbare Probleme bereiten – überhaupt ist der Verein gut durch die Krise gekommen, auch finanziell. Die veränderten Regelungen hinsichtlich der Spielerwechsel im Sommer haben beispielsweise dazu geführt, dass der TSV keinen einzigen Spieler verloren hat. Noch dazu haben sich alle Trainer solidarisch gezeigt und von März bis August freiwillig und ohne Aufhebens auf ihre Aufwandsentschädigungen verzichtet, wie Vorsitzender Thomas Strobl dem BFV-Präsidenten erzählt: „Dazu hat uns die staatliche Verdoppelung der Übungsleiter-Pauschalen sehr geholfen. Der Verein ist gesund, und der Fußball hat allen anderen Sportarten geholfen, weil sich der BFV bei der Politik so exponiert für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs eingesetzt hat. Davon profitieren jetzt alle, Sportvereine haben wieder eine echte Perspektive, nähern sich der Normalität, auch wenn die noch weit weg ist. Das wissen wir!“
Roland Mayer war einer der Vereinsvertreter, die sich in die Prozesse beim Bayerischen Fußball-Verband mit eingebracht haben, der Abteilungsleiter war Mitglied der Lösungsarbeitsgruppe (LAG) „Wechselrecht“: „Im Hinblick auf all die unterschiedlichen Interessen haben wir die maximal beste Lösung erreicht. Und das ist ja nur ein Baustein gewesen. Für uns waren es Schritt für Schritt wichtige Entscheidungen, auf die der BFV auch gedrängt hat: Training ohne Kontakt, später mit, danach Trainingsspiele und schließlich jetzt die Fortsetzung der Saison mit Zuschauern. Jede dieser einzelnen Etappen waren wichtige und positive Schritte für uns. Daraus haben wir unsere Motivation gezogen.“
Und am Ende des Tages, der für Jonas Herter um 20 nach neun begonnen hatte, gibt es weiteren Grund zur Freude: Der TSV 1860 Weißenburg gewinnt das Spitzenspiel gegen Zirndorf nach einem 0:1-Pausenrückstand am Ende mit 3:1. Am Eingang haben sich an diesem nasskalten und ungemütlichen Nachmittag etwas mehr als 150 Zuschauer für ihren Besuch registriert. Alexandra Wagner-Hamm verabschiedet sich bei ihnen durch die Lautsprecher mit einem dicken Dankeschön. Dafür, dass sich alle an die Regeln gehalten haben.