Nein, ein „normales“ Fußballturnier ist es nicht, was da in Unterschleißheim bei München über die Bühne die gegangen ist. Erstens hat das finale Ergebnis anders als bei anderen offiziellen Hallenturnieren nur eine untergeordnete Rolle gespielt, zweitens sind die Protagonisten allesamt Menschen, die ihr Leben eher „am Rand der Gesellschaft“ verbringen bzw. verbringen müssen. Es war die 9. Auflage des Hallenturniers von Anstoß! e.V., bei dem Mannschaften der Wohnungslosenhilfe, der Suchthilfe, der Straßensozialarbeit, der Flüchtlingsbetreuung und der Straffälligenhilfe in Bayern an den Start gingen.
Nun, man könnte sagen: Brauchen die Wohnungslosen nicht eher ein Dach über dem Kopf als ein Fußballturnier, brauchen die Geflüchteten nicht eher Sprach- und Integrationskurse und einen Job als ein Fußballturnier oder man stellt ganz provokativ die Frage, ob jetzt Straffällige auch noch mit einem Fußballturnier „belohnt“ werden müssen.
Diese Fragen laufen allesamt ins Leere, wenn man Jiri Pacourek, dem Organisator der Turnierreihe, zuhört. Denn neben der konkreten Hilfe, um die Existenzgrundlage der Menschen zu verbessern, spielt eben auch die soziale Komponente eine nicht minder wichtige Rolle. „Fußball ist für die Sozialarbeit ein sehr wichtiges Mittel. Bei den Turnieren kommt es auf Fitness an, ein gutes Zusammenspiel, einen fairen Umgang und jede*r Spieler*in lernt mit Widerständen und Frustration umzugehen. Alles was sie brauchen, um im Leben klarzukommen“, schildert Pacourek.
Das, was sich im Fußball so schön Wertevermittlung nennt und was sich Verband und Vereine neben der gemeinsamen Lust an der Bewegung und dem sportlichen Vergleich auf die Fahne schreiben, hört ja nicht im Jugendalter auf. Es gibt sie halt eben: die Erwachsenen, die aus welchen Gründen auch immer, ob verschuldet oder unverschuldet, die Hilfe der Gesellschaft brauchen.
„Der soziale Faktor des Sports wird häufig durch die extreme Präsenz des Spitzensports mit seinem Leistungsgedanken und dem Glanz und Glamour an die Seite gedrückt. In der Masse der Vereine wird natürlich Breitensport betrieben, wir haben durch den regulären Fußballbetrieb auch schon eine große und tief verankerte soziale Komponente. Menschen jedes Alters kommen in ganz Bayern regelmäßig zusammen, bewegen sich und finden auch über den reinen Sport hinaus Gemeinsamkeiten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir bei den Menschen, die am ‚Rand der Gesellschaft‘ leben, noch sehr viel Potenzial haben“, erklärt BFV-Vizepräsident Reinhold Baier.
Am Ende konnten sich die „Jungs aus Landsberg“ (ehemals das Team von SOS Kinderdorf) nicht nur den ersten Platz sichern, sondern auch den Fair-Play-Pokal. Die Graßhüpfer aus Lindenhof haben für sich den zweiten Platz sichern können, das Gastgeberteam vom Adolf-Mathes-Haus aus München durfte sich über den dritten Platz freuen.
Das Turnier offenbarte allerdings auch genau die zwei Seiten der Medaille, um die es geht. Die Corona-Pause hat bei den Beteiligten auch Spuren hinterlassen und viele kleine Erfolge der Vergangenheit – was den Umgang mit Frust und Niederlagen angeht – wieder zurückgesetzt. In einem Spiel sind einige Spieler aneinandergeraten und konnten mit der Situation eines umkämpften Spieles nicht umgehen. „Jedoch, die Teams haben es geschafft, den Konflikt auf dem Spielfeld zu lassen, am Turnier bis zum Ende teilzunehmen und bis zur Siegerehrung zu bleiben. Am Ende konnten sich die Beteiligten die Hände geben und bei der Siegerehrung für die gegnerische Teams applaudieren. Und das ist, worum es uns allen geht“, betont Jiri Pacourek die große Bedeutung des regelmäßigen Trainings und der Turniere für die persönliche Entwicklung der Spieler*innen.
Anstoß! e.V. ist die Bundesvereinigung für soziale Integration durch Sport