USA, Australien und Neuseeland: In diesen drei Ländern, die alleine in Deutschland für Millionen von Menschen beliebte Urlaubsziele sind, durfte Thilo Wilke in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren Fußball spielen.
Nachdem der inzwischen 29-jährige Offensivspieler, der ab sofort für den FC Memmingen in der Regionalliga Bayern am Ball ist, 2016 in seiner bayerischen Heimat sein Wirtschaftsstudium gestartet und nebenbei in der Landesliga Bayern beim TSV Abtswind gekickt hatte, wollte er etwas Neues ausprobieren. "Weiterstudieren und gleichzeitig professionell Fußball spielen", lautete sein Wunsch.
Wilke entschied sich für den Schritt in die USA, in der er an der Shaw University in North Carolina einen Platz bekam. "Business Management and Administration" war sein Studiengang, "Shaw Bears" hieß sein Collegeteam. Als Wilke Anfang 2017 ein neues Kapitel in seinem Leben begann, wusste er noch nicht, wohin es ihn durch seinen Wechsel an ein US-College überall verschlagen würde. "Rückblickend war der Schritt in die USA der Türöffner für alle weiteren Stationen in den vergangenen Jahren", so Wilke im Gespräch mit BFV.de.
Torpremiere in Minnesota - Küsten-Lifestyle in Palm Beach
Zwei Jahre kickte Wilke in den Vereinigten Staaten, davon 16 Monate für die "Shaw Bears". "Mein damaliger College-Trainer sagte mir, dass ich das Zeug zum Profi habe", erinnert sich Wilke, der in der Jugend unter anderem beim ehemaligen Zweitligisten 1. FC Schweinfurt 05 ausgebildet wurde: "Sein Rat war, dass ich in die 3. Liga gehen solle, um dort auf mich aufmerksam zu machen."
Weil die Drittligasaison in den USA damals lediglich von Mai bis August lief, wechselte Wilke sowohl 2017 als auch 2018 für jeweils vier Monate von seinem Collegeklub zu einem Drittligisten - ein übrigens nicht ungewöhnlicher Ablauf. "Viele Collegespieler mit Profi-Ambitionen haben das so gemacht", erzählt Thilo Wilke.
Nach mehreren Probetrainings bei verschiedenen Vereinen landete Wilke zunächst beim neu gegründeten Klub Med City FC in Minnesota. Dort schrieb der 1,80 Meter große Rechtsfuß Geschichte, indem er das erste Tor der Klubhistorie überhaupt erzielte. Im zweiten USA-Jahr spielte der Bayer die Saison in der 3. Liga in Florida für Palm Beach United. "Dort zu leben und den Küsten-Lifestyle Floridas einmal selbst zu pflegen, war schon grandios", sagt Wilke, der in Palm Beach unter professionellen Bedingungen trainierte: Täglich gab es morgens eine Trainingseinheit am Ball, nachmittags folgte Fitnesstraining.
Von Florida nach Adelaide und weiter nach Neuseeland
Der nächste Tapetenwechsel im Januar 2019 war für den "Weltenbummler" ein besonders großer Schritt. Wilke verließ nach zwei Jahren die USA und zog weiter in Richtung Australien. Über Kontakte bekam er die Möglichkeit, dort für den Zweitligisten Adelaide Raiders zu spielen.
Auch wenn es wieder ein anderes Land war: "Down Under" fand sich Wilke schnell zurecht. "Das lag auch daran, dass die Menschen in Australien sehr relaxed und hilfsbereit sind", betont der reiselustige Wilke, der auch was den Lebensstil angeht, in Adelaide nicht viel Eingewöhnungszeit benötigte. "Genau wie in Palm Beach habe ich auch in Adelaide direkt an der Küste gelebt. Schöner und entspannter geht es nicht", schwelgt er in positiven Erinnerungen an seine Zeit in Australien.
Aber auch für die Adelaide Raiders schnürte Wilke nicht lange die Fußballschuhe. Im Mai 2019 lotste ihn mit den Para Hills Knights ein weiterer australischer Zweitligist zu sich. Fünf Monate später bekam Wilke dann erneut die Chance auf ein neues Abenteuer in einem anderen Land. Sein Weg führte ihn zu den Hamilton Wanderers in die höchste Spielklasse von Neuseeland. "Ich hatte immer den Traum, irgendwann einmal in der ersten Liga zu spielen", erklärt Wilke den Wechsel nach Neuseeland: "Diesen Traum konnte ich mir damit erfüllen." Drei Monate blieb Wilke in Hamilton, danach ging es zurück nach Australien zu den Para Hills Knights.
Rückkehr nach Deutschland statt Fortsetzung der Weltreise
Bis zuletzt stand Wilke dort unter Vertrag. Ende Juli endete dann jedoch seine Fußballreise um die Welt. Die Entscheidung für die Rückkehr nach Deutschland fiel ihm allerdings nicht leicht. "Ich hatte Angebote aus mehreren asiatischen Ländern und auch aus Finnland. Da dachte ich schon, ich werde der nächste Lutz Pfannenstiel", so Wilke grinsend. Der ehemalige Torwart Pfannenstiel, zuletzt Sportvorstand bei Bundesliga-Absteiger Fortuna Düsseldorf, ist der einzige Profifußballer, der während seiner Karriere auf allen Kontinenten gespielt hat.
"Vor allem Asien mit einer komplett anderen Kultur hätte mich auf jeden Fall gereizt", führt Wilke fort: "Ich war aber - auch wegen der aktuellen Situation rund um Corona - der Meinung, dass der Zeitpunkt für eine Rückkehr nach Deutschland richtig wäre. Außerdem will ich beweisen, dass ich auch in Deutschland höherklassig Fußball spielen kann."
Dass es am Ende der FC Memmingen wurde, hatte nichts damit zu tun, dass Wilke die Alternativen fehlten. In gleich drei der fünf Regionalliga-Staffeln spielte er vor, auch Klubs aus dem Westen und Nordosten zeigten Interesse. "Das Gesamtpaket in Memmingen hat gepasst", erklärt Thilo Wilke: "Der FCM ist ein familiär geführter Verein mit einer jungen Mannschaft, in der ich als erfahrener Spieler Verantwortung übernehmen kann. Hinzu kommen die Nähe zu meiner Familie und die Lebensqualität in Bayern, die ich sehr schätze."
Als Mensch und Sportler im Ausland gereift
Im Allgäu verfolgt Wilke nun vorerst zwei Ziele: Mit dem FC Memmingen den Klassenverbleib schaffen und sich dauerhaft in der Regionalliga durchsetzen. Beim letzteren Ziel soll ihm auch seine Zeit im Ausland helfen. "Ich bin sowohl als Mensch als auch als Sportler gereift", sagt Wilke: "Beispielsweise ist mein Selbstbewusstsein deutlich gestiegen. Das hilft mir jetzt, auf dem Platz noch bessere Leistungen zu zeigen."
Ob in den USA, Australien oder Neuseeland: Überall musste sich Wilke alleine durchboxen. In Memmingen ist er nun zurück in der "Komfortzone", zurück in der Heimat, zurück in einem bekannten Umfeld. "Trotz all der schönen Erfahrungen im Ausland bin ich froh, wieder in Deutschland zu sein", betont Wilke: "Hier sehe ich auch meine Zukunft - sowohl fußballerisch als auch später beruflich."
BFV-Autor: Christian Knoth/MSPW