Champions League virtuell: Der frühere Zweitligist SpVgg Oberfranken Bayreuth aus der Regionalliga Bayern hat den E-Sport für sich entdeckt. In FIFA 21 trifft Bayreuth international auf Teams wie Fenerbahce Istanbul. Im BFV.de-Interview spricht der Bayreuther E-Sport-Verantwortliche Jan Bauermeister (22) über den Einstieg des Traditionsvereins aus Oberfranken in die virtuelle Fußballwelt.
Auch die SpVgg Oberfranken Bayreuth geht ab sofort im E-Sport an den Start. Wie kam es zu dieser Entscheidung, Herr Bauermeister?
Jan Bauermeister: Wir möchten uns im Verein stetig weiterentwickeln und uns besonders digital für mehr Sponsoringmöglichkeiten besser aufstellen. Im Rahmen der Corona-Pandemie wollten wir die Zeit sinnvoll nutzen und uns um Aufgaben kümmern, die wir abseits der Saisonunterbrechung im Fußball umsetzen können. Dazu zählt der Einstieg in den E-Sport. Wir hatten uns mit dem Thema bereits länger beschäftigt. Jetzt ergreifen wir die Chance, in einem neuen Markt mit einer teilweise anderen Zielgruppe reinzuschnuppern.
Wie sehen die ersten Schritte aus?
Bauermeister: Zunächst einmal treten wir mit einem FIFA 21-Team im Spielmodus "Pro Club" in nationalen und internationalen Ligen an. Dabei steuert jeder der elf Spieler einen eigenen virtuellen Spieler. Das Team hatte zuvor bereits für unseren Nachbarverein FC Eintracht Bamberg gespielt und kennt sich größtenteils. Nachdem wir die Mannschaft noch leicht verstärkt haben, ging es vor kurzem bereits mit den ersten Ligaspielen los. Erst am Mittwochabend haben wir gegen Fenerbahce Istanbul knapp in der Nachspielzeit verloren. Die Begegnung wurde in der Türkei live auf "Sky" übertragen. Das ist schon Wahnsinn und eine komplett neue Welt für uns. Wir freuen uns, in den nächsten Monaten weiter in sie einzutauchen.
Welche Ziele verfolgt der Verein mit dem E-Sport-Engagement?
Bauermeister: Wir gehen mit der Zeit und wollen ein Angebot schaffen, das auch die jüngere Generation erreicht. Viele Jugendliche schauen mittlerweile kaum noch fern, sondern verfolgen lieber Livestreams auf Twitch. Wir bieten bereits Streams an und geben unseren Fans die Möglichkeit, live dabei zu sein, wenn wir gegen andere Vereine antreten. Unseren Twitch-Auftritt professionalisieren wir jetzt nach und nach. Einen Kommentator, der unsere Partien mit reichlich Knowhow begleitet, haben wir bereits.
Wie ist die Resonanz bei anderen Vereinsverantwortlichen und Fans?
Bauermeister: Sehr positiv! Sicherlich waren auch einige klärende Gespräche mit Vereinsverantwortlichen notwendig, um ihnen den E-Sport-Kosmos verständlich zu erklären. Aber spätestens danach waren alle begeistert von der Idee, den Schritt in einen neuen, komplett digitalen Bereich zu wagen. Die Fans nehmen das neue Angebot ebenfalls an. Schon in unseren ersten Streams hatten wir eine mittlere zweistellige Zuschauerzahl. Das motiviert uns, unser E-Sport-Engagement weiter voranzutreiben.
Werden in den FIFA 21-Duellen mit Fenerbahce Istanbul und Co. denn auch Emotionen transportiert, wie man sie aus dem realen Fußball kennt?
Bauermeister: Definitiv. Die Begegnungen sind extrem spannend und nervenaufreibend. Eine kleine Anekdote an dieser Stelle: Mein Vater kam die Tage zu mir und sah, dass ich ein FIFA-Spiel unserer Jungs schaute. Er war interessiert und fragte mich, was es damit auf sich habe. Nachdem er Bescheid wusste, blieb er stehen - bis zum Abpfiff. (lacht) Auch mein Vater fieberte mit und sah genauso gebannt zu wie bei einem echten Fußballspiel.
Besteht Hoffnung, dass es solche Matches zukünftig in Bayreuth auch wieder im realen Fußball gibt?
Bauermeister: Klar. Wir haben als Verein große Ambitionen und würden bestenfalls natürlich schon in diesem Jahr gerne die Rückkehr in den Profifußball schaffen. Für den Restart - wann und in welcher Form auch immer - sind wir gewappnet. Es wäre für jeden Aufstiegsaspiranten in der Regionalliga Bayern wünschenswert, dass es einen sportlichen Wettkampf statt einer Entscheidung am grünen Tisch gibt.
Welche Herausforderungen bestehen organisatorisch, um ein E-Sport-Projekt im Verein zu realisieren?
Bauermeister: Man benötigt auf jeden Fall Manpower. Anders geht es nicht. Bei uns sind wir mit mir erst einmal zwei Leute, die sich hauptverantwortlich um den Bereich E-Sport kümmern. Außerdem werden wir von vielen fleißigen und wissbegierigen Studenten unterstützt, die fußballbegeistert sind und bereits betriebswirtschaftliche Kenntnisse haben. Wir befinden uns im täglichen Austausch und veranstalten regelmäßig Zoom-Meetings, um uns zu organisieren und Aufgaben zu verteilen. Zusätzlich stehen Gespräche mit möglichen Sponsoren an. Wenn man als Team zusammen anpackt und sich leidenschaftlich mit E-Sport identifizieren kann, ist ein solches Projekt sehr gut zu stemmen.
BFV-Interview: Christian Knoth/MSPW