Als Ex-Bundesligaprofi Timo Rost vor rund einem Jahr Trainer der SpVgg Oberfranken Bayreuth wurde, hatte der Ex-Zweitligist in den ersten sechs Spielen der Regionalliga Bayern kein einziges Tor erzielt und war punktlos. Rost führte Bayreuth dennoch zum Klassenverbleib, jetzt mischt die SpVgg in der Spitzengruppe mit. Im BFV.de-Interview spricht Rost über die Ziele des Traditionsvereins.
Die zurückliegende Saison begann die SpVgg Oberfranken Bayreuth mit sechs Spielen ohne Punkt und Tor. Dann kamen Sie, führten die Mannschaft zum Klassenverbleib und jetzt in die Spitzengruppe. Wie haben Sie das angestellt, Herr Rost?
Timo Rost: Seitdem ich in Bayreuth bin, ist die sportliche Entwicklung absolut positiv. Mein Trainerteam und ich haben der Mannschaft eine neue Spielphilosophie verpasst, die das Team angenommen und schnell umgesetzt hat. Alle haben hervorragend mitgezogen. Wir haben eine fast unlösbare Aufgabe mit Bravour gemeistert und sind am Ende verdient in der Klasse geblieben. Während der Sommervorbereitung konnten wir dann noch einmal eine Schippe drauflegen und uns weiterentwickeln. Es lief brutal gut, wir haben unter anderem den Zweitligisten 1. FC Nürnberg besiegt.
Dennoch gingen danach die ersten beiden Saisonspiele verloren.
Rost: Wir dachten scheinbar, dass wir nach den starken Leistungen in der Vorbereitung die Spiele in der Regionalliga auch mit ein paar Prozent weniger gewinnen können. Dem ist aber nicht so. Ich bin froh, dass wir gleich am Anfang einen Dämpfer hinnehmen mussten. So konnten wir schnell erkennen, dass es nur mit 100 Prozent geht, und die Entwicklung wieder in die richtigen Bahnen lenken.
Seit dem 2. Spieltag gab es keine Niederlage mehr. Die SpVgg Bayreuth mischt als Tabellenvierter ganz oben mit. Das entspricht auch den Ansprüchen des Vereins, oder?
Rost: Sportlich durchaus. Der Verein besitzt als ehemaliger Zweitligist eine große Tradition und eine riesige Fangemeinschaft. Der Traum von der Rückkehr in den Profifußball lebt. Allerdings können wir die aktuelle Gesamtsituation sehr gut einschätzen und müssen uns ehrlich eingestehen, dass der Verein infrastrukturell noch lange nicht drittligatauglich ist. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Wir haben für die erste Mannschaft keinen Kunstrasenplatz, müssen im Winter für unsere Einheiten einige Kilometer fahren. Für unsere zahlreichen Jugendmannschaften gibt es keinen gesonderten Trainingsplatz - ein flüssiger Trainingsbetrieb ist für keines unserer Teams möglich.
Woran liegt das?
Rost: Die vom Verein schon seit längerer Zeit angestrebte Professionalisierung verläuft schleppend. Das liegt aber nicht an den fehlenden Bemühungen der Vereinsverantwortlichen. Unser Geschäftsführer Wolfgang Gruber ist beispielsweise sehr bemüht und tut alles, um unsere infrastrukturelle Situation zu verbessern. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass auch die Stadt mitziehen muss, um einen Klub drittligatauglich zu machen. So war es bei meinen vorherigen Stationen bei Energie Cottbus und bei RB Leipzig. Es ist aber definitiv nicht alles negativ. Beispielsweise haben wir im Sommer mit dem Post-SV Bayreuth eine Kooperation vereinbart. Dort hat unsere erste Mannschaft nun endlich ein eigenes Trainingsgelände. Das ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Als nächste Maßnahme sollten wir uns unter anderem um einen eigenen Kunstrasenplatz bemühen.
Perspektivisch soll es zurück in den Profifußball gehen. Wie sieht die konkrete Zielsetzung für diese Saison aus?
Rost: Nachdem der Verein in den zurückliegenden Jahren immer gegen den Abstieg gespielt und sich in der Saison 2017/18 sogar erst in der Relegation mit viel Glück gerettet hatte, kann es erst einmal nur darum gehen, nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Von einer zuletzt mehrmals abstiegsgefährdeten Mannschaft kann nicht auf einmal der Aufstieg erwartet werden. Wenn wir aber schon einmal so weit vorne stehen, wollen wir uns jetzt auch oben festbeißen.
Mit den Partien gegen Aufsteiger TSV Aubstadt und bei Ihrem Ex-Team SpVgg Greuther Fürth II geht es jetzt mit Duellen gegen Tabellennachbarn aus der Spitzengruppe weiter. Überrascht es Sie, dass die kommenden beiden Gegner so weit oben stehen?
Rost: Der TSV Aubstadt verfügt über ein eingespieltes Team, das sich nach dem Aufstieg personell kaum verändert hat. Außerdem ist die Euphorie in den ersten Regionalligamonaten der Vereinsgeschichte riesig. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Neuling stark startet. Überraschen würde es mich, wenn Aubstadt es schaffen sollte, über die komplette Saison so konstant positive Ergebnisse einzufahren. Die SpVgg Greuther Fürth hat endlich zu ihren Wurzeln zurückgefunden und setzt ihre Prioritäten wieder auf den Nachwuchsbereich. Das merkt man und freut mich.
Zunächst geht es am Samstag gegen Aubstadt. Wie schätzen Sie den Dorfklub aus der 700-Einwohner-Gemeinde ein?
Rost: Den Verein zeichnet Kontinuität aus. Trainer Josef Francic ist seit 2011 im Amt. So etwas sieht man im Fußball kaum noch. Er hat in den vergangenen Jahren ein Topteam zusammengestellt, das nun nach mehreren vergeblichen Anläufen den Sprung in die Regionalliga geschafft hat. Die Spieler sind heiß, sich in der höchsten bayerischen Amateurspielklasse zu beweisen, und wollen auch uns ärgern. Wir wissen, dass uns eine schwierige Aufgabe bevorsteht.
Sie sind ausgebildeter Fußball-Lehrer und waren früher lange Bundesligaprofi. Ist der Schritt in den Profibereich als Trainer nur noch eine Frage der Zeit?
Rost: Wenn ich nur darauf aus gewesen wäre, als Trainer so früh wie möglich in den Profibereich zu gelangen, hätte ich direkt nach meiner Spielerlaufbahn die Möglichkeit dazu gehabt. Bei RB Leipzig wurden mir Jobs als Assistent von Profitrainer Ralf Rangnick und als Jugendtrainer angeboten. Allerdings habe ich ein anderes Ziel verfolgt. Ich wollte das Handwerk des Trainers von der Pike auf lernen. Dafür bin ich in meine Heimat nach Bayern gegangen, habe dort meine Trainerscheine gemacht und parallel den Amateurklub FC Amberg sowie die U 23 der SpVgg Greuther Fürth trainiert. Die Erfahrungen, die ich in diesen Jahren gesammelt habe, waren Gold wert. Daher bin ich froh, dass ich diesen Weg gegangen bin. Mittlerweile ist es so, dass auch ich den Anspruch habe, so hoch wie möglich zu arbeiten. Wenn ich irgendwann die Chance dazu bekomme, Profitrainer zu werden, wäre das sicher attraktiv für mich. Sollte es nicht so kommen, wäre es aber kein Weltuntergang.
BFV-Interview: Christian Knoth/mspw