Matthias Stingl (22) wartet aktuell auf seine Einreiseerlaubnis für die USA. Der ehemalige Junioren-Nationalspieler wechselt vom SV Wacker Burghausen aus der Regionalliga Bayern zum College-Klub UMass Lowell River Hawks in Boston. Dort will Stingl sein BWL-Studium abschließen und hochklassigen Uni-Fußball spielen. Im BFV.de-Interview spricht Stingl über das anstehende "Abenteuer" in den USA.
Sie haben ein Sport-Stipendium erhalten und wechseln in die USA zum College-Klub UMass Lowell River Hawks. Der Start verschiebt sich jedoch wegen der Corona-Pandemie. Wie ist der aktuelle Stand, Herr Stingl?
Matthias Stingl: Ich kann noch nicht einreisen, weil die Konsulate geschlossen haben und Visa-Anträge nicht bearbeitet werden. Offizieller Trainingsstart ist am 10. August. Bis dahin werde ich hoffentlich in den USA sein.
Ursprünglich wollten Sie am 1. Juli schon in den Staaten sein. Weshalb?
Stingl: Geplant war, dass ich nach meiner Kreuzband-OP Ende 2019 die Reha in den USA abschließe und bereits vor dem Beginn der Vorbereitung mit dem Athletiktrainer meines Vereins arbeite. So wäre ich bis August schon auf einem guten Fitnesslevel gewesen und hätte außerdem die Möglichkeit gehabt, die Stadt Boston und den Klub schon einmal besser kennenzulernen. Daraus wurde aufgrund der Corona-Lage leider nichts. Wie auch ich hoffen tausende weitere Sportler gerade darauf, dass sich die Situation entspannt und Einreisen wieder problemlos möglich sind.
Die Corona-Lage in den USA ist weiterhin prekär. Beunruhigt Sie das nicht?
Stingl: Teilweise. Es ist schon erschütternd, dass ein so großes und mächtiges Land die Corona-Krise scheinbar nicht unter Kontrolle bekommt und die Zahlen der Neuinfektionen immer noch steigen. Im Bundesstaat Massachusetts, in dem ich leben werde, ist die Lage aber zum Glück vergleichsweise entspannt. Angst habe ich nicht. Vorsicht ist jedoch geboten - das gilt allerdings nicht nur in den USA.
Wie nutzen Sie die Wartezeit bis zu Ihrer Einreiseerlaubnis?
Stingl: Derzeit finden an den US-Colleges die Summer Classes statt, in denen man sich auf den Semesterstart im Oktober vorbereiten kann. Mein Trainer hat mich dafür eingeschrieben, so dass ich gerade viele Online-Vorlesungen schauen kann. Ein Vorteil an der Teilnahme ist, dass man sich etwas den Stress während des Semesters nimmt und schon jetzt ein paar Module des Studiums abarbeiten kann.
Welche Ziele verfolgen Sie in Ihren drei Jahren in den USA?
Stingl: Seitdem ich 2018 zum SV Wacker Burghausen in die Regionalliga Bayern gewechselt war, habe ich ein anderes Mindset. Nicht mehr die Profikarriere allein steht im Fokus. Wichtig ist mir vor allem, ein zweites Standbein mit meinem Studium aufzubauen. Deshalb lege ich besonders großen Wert darauf, einen sehr guten Uni-Abschluss zu erwerben. Dass ich mir mit dem College-Fußball dennoch eine Tür zum Profibereich aufhalten kann, ist klasse. Die Bedingungen in den USA sind top. Davon konnte ich mich bei einem einwöchigen College-Besuch im Dezember bereits selbst überzeugen. Begeistert war ich unter anderem von der Infrastruktur und den professionellen Abläufen. Ich freue mich sehr auf die Herausforderung, in den USA Fußball zu spielen, und möchte das Maximum herausholen.
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Stingl: Auf das professionelle System, in dem College und Fußball im Tagesablauf miteinander verknüpft sind. Alles ist aufeinander abgestimmt. Man hat daher nicht so viel Organisationsstress wie bei einem Studium in Deutschland, das man parallel zum Fußball absolviert. Außerdem freue ich mich als großer Basketball-Fan auf die Stadt Boston und Spiele des NBA-Klubs Boston Celtics. Hoffentlich ist es bald wieder möglich, in den Arenen als Zuschauer dabei zu sein. Eine neue Kultur kennenzulernen, wird auch spannend sein.
Werden Sie viel Zeit zum Reisen haben?
Stingl: Im Sommer habe ich zwei Monate frei, im Winter gibt es dann noch einmal vier Wochen Ferien. Mein Plan ist, dass ich die Sommermonate für Praktika nutze, um berufliche Erfahrungen zu sammeln. Im Winter möchte ich dann reisen. Wunschziele sind New York, Kalifornien und Florida.
Sie kickten lange Zeit im Nachwuchsbereich des FC Bayern, später für den SC Paderborn 07 in der 3. Liga. Lebt der Traum von einer Profikarriere noch?
Stingl: Um ehrlich zu sein: Nicht mehr so bewusst wie früher. Abgeschrieben habe ich eine Profilaufbahn aber nicht. Ich bin schließlich seit meinem zwölften Lebensjahr im Leistungssport aktiv und kenne es schon gar nicht mehr anders. Die zurückliegenden Monate, in denen ich nach meiner Knie-OP nicht spielen konnte, habe ich eine große Sehnsucht nach professionellem Fußball verspürt. Ich kann mein Comeback kaum abwarten.
Wo würden Sie lieber Profi werden: In den USA oder in Europa?
Stingl: Grundsätzlich in Europa und am liebsten in Deutschland. Irgendwann mal in der Major League Soccer zu spielen, wäre aber auch gigantisch. Die MLS ist mittlerweile eine sehr starke Liga mit vielen Spielern, die auch in Europa etablierte Profis sind oder waren.
BFV-Interview: Christian Knoth/MSPW