Durch die beiden 0:1-Niederlagen in den Aufstiegsspielen zur 3. Liga gegen den Regionalliga Nord-Vertreter TSV Havelse verpasste Cheftrainer Tobias Stobl (33) vom Regionalliga Bayern-Meister 1. FC Schweinfurt 05 den bislang größten Erfolg seiner noch jungen Trainerlaufbahn nur knapp. Inzwischen sind die Tränen bei den "Schnüdeln" getrocknet, Strobl und sein Team streben auch in der kommenden Saison 2021/2022 eine Spitzenplatzierung und im besten Fall den erneuten Titelgewinn an. Der würde in einem Jahr zum direkten Aufstieg berechtigen. Im BFV.de-Interview spricht Tobias Strobl über verpasste Chancen, emotionale Reaktionen, neue Motivation und künftige Konkurrenten.
Am Montag gab der Bayerische Fußball-Verband (BFV) den Spielplan für die neue Saison in der Regionalliga Bayern bekannt. Mal ehrlich: Wie sehr haben Sie jetzt schon das Auftaktspiel am 17. Juli beim TSV Buchbach im Kopf, Herr Strobl?
Tobias Strobl: Es ist selbstverständlich unsere Aufgabe, uns bestmöglich auf den Saisonstart und damit auch auf unser Auftaktspiel in Buchbach vorzubereiten. Von daher haben wir die Veröffentlichung des Spielplans mit Interesse verfolgt. In den nächsten Tagen geht es für uns alle jedoch erst einmal darum, nach der intensiven Zeit mit den Play-offs der Regionalliga Bayern, mit dem Ligapokal und zuletzt mit den Aufstiegsspielen zur 3. Liga die Köpfe freizubekommen und ein wenig abzuschalten. Das ist jetzt notwendig, um wieder neue Kraft zu tanken. Ab dem 1. Juli greifen wir dann wieder im Training voll an.
Nach dem knapp verpassten Aufstieg in die 3. Liga durch zwei 0:1-Niederlagen gegen den TSV Havelse bleibt nicht viel Zeit zur Vorbereitung. Wie gehen Sie damit um?
Strobl: Wir werden deshalb nicht jammern, sondern alles versuchen, um das Bestmögliche aus der Situation zu machen. Positiv ist, dass wir keinen großen Umbruch im Kader haben und dass die Jungs voll im Saft stehen, so dass sie in der einen Woche Pause nicht viel an Fitness verlieren werden. Dadurch können wir im Training sofort wieder gut arbeiten. Ohnehin waren die vorherigen Corona-Auszeiten lang genug.
Nach der Niederlage im Rückspiel waren Sie emotional stark angefasst. Was hat Ihnen am meisten weh getan?
Strobl: Mir sind viele Gedanken durch den Kopf gegangen. Ich musste an unsere Familien und Freunde denken, die uns immer unterstützt und den Rücken freigehalten haben. An den Verein, der alles unternommen hat, um uns optimale Bedingungen zu ermöglichen. An die Spieler, die uns wegen des verpassten Aufstiegs verlassen müssen. Und vor allem an unsere treuen Fans, die sich so sehr die Rückkehr in den Profifußball nach fast 20 Jahren gewünscht hatten. Ich habe beispielsweise einen Anhänger kennengelernt, der die Schnüdel bereits seit 45 Jahren ständig begleitet. Dass wir all diese Menschen und uns selbst nicht mit dem Aufstieg belohnen konnten, war bitter und sehr emotional.
Sie hatten es nach dem Abpfiff auf den Punkt gebracht: Trotz bester Chancen gelang in 180 Minuten kein Tor. Wie erklären Sie sich das im Nachhinein?
Strobl: Schwer zu sagen. Im Hinspiel haben wir nicht unsere gewohnte Leistung gebracht, hatten deshalb auch nur wenige Torchancen. In Havelse allerdings waren es bestimmt sechs oder sieben hochkarätige Möglichkeiten, die wir nicht verwerten konnten. Da war sicher viel Pech, vielleicht aber auch eine Portion Unvermögen oder fehlende Qualität dabei. So ehrlich sollten wir sein. Eine solche Drucksituation wie in diesen beiden Spielen lässt sich halt im Training auch nicht simulieren. Unter dem Strich hatten wir es selbst in der Hand, konnten diese große Chance aber nicht nutzen. Es bringt jetzt aber nichts, nur nach hinten zu schauen. Ganz im Gegenteil! Wir werden uns aufrichten und dann neu angreifen.
Wie sehr war es auch Ihr persönliches Ziel, in der kommenden Saison in der 3. Liga zu arbeiten?
Strobl: Selbstverständlich war es auch mein persönliches Ziel, uns dort mit weiteren Traditionsvereinen wie dem 1. FC Kaiserslautern, dem TSV 1860 München, Eintracht Braunschweig oder dem SV Waldhof Mannheim messen zu können. Für mich hätte der Aufstieg auch noch den positiven Nebeneffekt gehabt, dass ich vom DFB in diesem Fall noch in diesem Sommer für die Ausbildung zum Fußball-Lehrer zugelassen worden wäre.
Wie motivieren Sie sich jetzt für einen weiteren Anlauf?
Strobl: Ich bin genauso motiviert wie am ersten Tag, das Optimale mit dem 1. FC Schweinfurt 05 herauszuholen. Wenn die kommende Saison der Regionalliga Bayern startet, werden wir alles tun, um unseren Meistertitel zu verteidigen, zumal das ja dann auch den direkten Aufstieg in die 3. Liga bedeuten würde.
Seitdem Sie in Schweinfurt tätig sind, gab es bislang kaum regulären Spielbetrieb. Wie sehr hoffen Sie jetzt auf baldige Normalität?
Strobl: Sehr, sehr, sehr. Es ist mein größter Wunsch, dass wir und alle Beteiligten eine ganz normale Saison mit 38 Spieltagen und mit unseren Fans im Stadion absolvieren können. Seit ich in Schweinfurt bin, hatten wir gefühlt in der Tat mehr Pausen und Vorbereitungen als Pflichtspiele. Es wird Zeit, dass sich das ändert.
Das Team bleibt weitgehend zusammen, einige Zugänge stehen bereits fest. Wie bewerten Sie den Stand der Kaderplanung?
Strobl: Ich bin definitiv zufrieden. Wir vertrauen dem bisherigen Kern des Kaders. Die Jungs haben bereits gezeigt, zu welchen Leistungen sie in der Lage sind. Dazu kommen einige vielversprechende Zugänge, von denen wir uns einiges erhoffen. Grundsätzlich sind aber noch bis Ende August Transfers möglich. Sollte sich nach dem Saisonstart herauskristallisieren, dass wir auf der einen oder anderen Position - zum Beispiel aufgrund von Verletzungen - noch reagieren müssen, wird das sicherlich möglich sein.
Der erfahrene Mittelfeldspieler Daniel Adlung war bislang von der SpVgg Greuther Fürth ausgeliehen. Wie ist der Stand?
Strobl: Daniel wird bei uns bleiben, was mich sehr freut. Er ist eine wichtige Stütze des Teams und hat seine Qualitäten eindrucksvoll gezeigt.
Ihr Torjäger Adam Jabiri ist seit wenigen Wochen 37 Jahre. Wie lange können Sie noch auf ihn setzen?
Strobl: Eine Saison auf hohem Niveau hat Adam mit absoluter Sicherheit noch in sich. Deshalb bin ich auch sehr froh, weiter auf ihn zurückgreifen zu können. Wie gut und torgefährlich er nach wie vor ist, hat er auch gegen Havelse wieder gezeigt, auch wenn ihm kein Treffer gelungen ist. Von daher ist er für uns nach wie vor unverzichtbar. Dass wir daran arbeiten müssen, einen oder - noch besser - mehrere Spieler zu finden und zu formen, die eines Tages in seine großen Fußstopfen treten können, versteht sich von selbst.
Mit den beiden Drittliga-Absteigern FC Bayern München II und SpVgg Unterhaching kommen zwei weitere ambitionierte Klubs in die Regionalliga Bayern. Wird es die vielleicht schwierigste Saison überhaupt?
Strobl: Auf jeden Fall wird die Liga weiter an Attraktivität gewinnen. Allerdings muss ich auch sagen, dass die sportliche Qualität in der Regionalliga Bayern auch vorher schon viel höher war, als es manchmal dargestellt wird. Mit Vereinen wie den Würzburger Kickers, dem SSV Jahn Regensburg, dem TSV 1860 München oder zuletzt Türkgücü München gab es auch in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe hochkarätiger Klubs, mit denen wir und die anderen Vereine uns messen mussten. Die weitere Entwicklung dieser Aufsteiger unterstreicht ebenfalls die Qualität der Regionalliga Bayern.
Welche Teams werden in der Saison 2021/2022 um die Meisterschaft mitspielen?
Strobl: Der FC Bayern München II, die SpVgg Unterhaching, die SpVgg Oberfranken Bayreuth und wir haben den Anspruch formuliert, oben mitspielen und den Aufstieg in die 3. Liga anstreben zu wollen. Dazu wird bestimmt auch noch eine Überraschungsmannschaft wie in der Vorsaison der SV Viktoria Aschaffenburg kommen. Ich gehe von einem offenen und spannenden Kampf um die Meisterschaft aus.
Die Konkurrenz wird den 1. FC Schweinfurt 05 womöglich auf den Favoritenschild heben. Nehmen Sie die Rolle an?
Strobl: Ich denke eher, dass die beiden Drittliga-Absteiger zuerst genannt werden. Sollte es anders sein, werden wir diese Rolle aber annehmen. Es ist schließlich unser eigener Anspruch, erneut Meister zu werden und dann auch aufzusteigen.
BFV-Interview: Ralf Debat/MSPW