Ex-Bundesligaprofi Timo Rost (43) hat es geschafft. Als Trainer führte er den Traditionsklub SpVgg Oberfranken Bayreuth als Meister der Regionalliga Bayern nach 32 Jahren Abstinenz zurück in den Profifußball und brach dabei mit seinem Team mehrere Rekorde. Im BFV.de-Interview spricht Rost, der ab Sommer den zukünftigen Bayreuther Ligakonkurrenten FC Erzgebirge Aue trainieren wird, über den lang ersehnten Aufstieg in die 3. Liga und die Qualifikation für den DFB-Pokal.
Eine lange Saison in der Regionalliga Bayern findet ein erfolgreiches Ende: Die SpVgg Oberfranken Bayreuth ist nach 32 Jahren zurück im Profifußball! Wie stolz sind Sie auf Ihr Team, Herr Rost?
Timo Rost: Extrem stolz. Wir waren ja bereits in den Jahren zuvor sehr erfolgreich. Ich habe die Mannschaft 2018 in Abstiegsgefahr übernommen. Was wir danach für eine Entwicklung hingelegt haben, ist einfach nur Wahnsinn. Dafür gilt jedem Einzelnen im Team mein höchster Respekt. Diese Saison war dann das i-Tüpfelchen. Wir haben gleich mehrere Rekorde gebrochen, unter anderem die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte gespielt und die höchste Punktzahl in der Historie der Regionalliga Bayern erreicht. Außerdem sind wir auswärts ungeschlagen geblieben. Dieser Erfolg bleibt für die Ewigkeit.
Wo wurde nach dem 2:1-Heimerfolg gegen Viktoria Aschaffenburg der Aufstieg gefeiert und wie lange ging die Party?
Rost: Wie Sie merken, kommt meine Stimme jetzt erst nach ein paar Tagen so langsam wieder. (lacht) Zunächst haben wir mit den Fans auf dem Platz gefeiert. Es herrschte Freude pur bei allen Menschen im Stadion - den Spielern, den Vereinsverantwortlichen und unseren Anhängern. Danach wurden spontan zwei Partytrucks organisiert - einer für die Mannschaft und einer für die Fans. Mit rund 2.000 Anhängern haben wir dann zusammen eine wilde Partynacht erlebt. Irgendwann wurde es dann auch mal wieder hell. (lacht) Es war so ein bisschen wie die Eintracht Frankfurt-Feier nach dem Europa League-Sieg - wenn auch im etwas kleineren Stil.
Die Party wurde aber auch noch woanders fortgesetzt, oder?
Rost: Tatsächlich ist die Mannschaft direkt am nächsten Tag nach Mallorca geflogen. Fragen Sie mich nicht, wie sie das geschafft haben. (lacht) Am Mittwoch sind jedoch alle Spieler wohlbehalten zurückgekehrt. Von Mallorca aus ging es quasi sofort zum Empfang beim Bayreuther Bürgermeister. Jeder konnte wieder stehen, der eine oder andere auch schon wieder sprechen. (lacht)
Mit dem Titel in der Regionalliga Bayern sicherte sich der Verein gleichzeitig auch die Qualifikation für den DFB-Pokal. Es war rundum eine perfekte Spielzeit!
Rost: Absolut. Es war - wie schon gesagt - eine historische Saison, die wir zum perfekten Zeitpunkt gespielt haben. 2021 hat der Verein sein 100-jähriges Jubiläum gefeiert, jetzt geht es nach mehr als drei Jahrzehnten zurück in den Profifußball und zum zweiten Mal in Folge in den DFB-Pokal. Schöner hätten wir es uns alle nicht ausmalen können. An dieser Stelle möchte ich aber auch noch einmal die Leistung unseres ärgsten Konkurrenten loben. Die U 23 des FC Bayern München hat ebenfalls eine überragende Saison gespielt und hätte den Aufstieg in die 3. Liga ebenfalls verdient gehabt.
Kurz vor dem Erreichen des großen Ziels gab es einen überraschenden Ausrutscher. Gegen Schlusslicht und Aufsteiger TSV 1860 Rosenheim verlor Ihre Mannschaft vor eigenem Publikum 0:4. Wie haben Sie das Spiel erlebt und eine solche Leistung erklärt?
Rost: Ich habe den Jungs dafür keinen Vorwurf gemacht. Es war das erste Spiel nach unserem 4:0-Heimerfolg im Spitzenspiel gegen die U 23 des FC Bayern. Im Anschluss daran wurden einige unserer Spieler im Rahmen von Feierlichkeiten verprügelt. Das hat uns einige Tage beschäftigt, so dass wir für das Spiel gegen Rosenheim vom Kopf her einfach noch nicht bereit waren. So kommt dann ein solches Ergebnis zustande. Dennoch darf das bei unseren Ansprüchen keine Ausrede sein. Unabhängig davon, dass es normal ist, dass irgendwann eine lange Serie ohne Niederlage reißt: Wir hätten gegen das Schlusslicht eine bessere Leistung zeigen müssen.
Danach fand Ihr Team auch schnell zurück in die Erfolgsspur. Hatten Sie nicht die Befürchtung, dass das 0:4 gegen Rosenheim einen Knacks verursachen könnte?
Rost: Ganz ehrlich? Nicht einen Moment habe ich daran gedacht. Ich wusste, dass wir uns nicht aus der Ruhe bringen lassen. Und unsere Reaktion auf die Niederlage war dann fantastisch. Im Spiel beim FV Illertissen haben wir trotz zweier Platzverweise kurz vor Schluss den 1:0-Siegtreffer erzielt. Es folgten Siege gegen den FC Pipinsried und unseren Angstgegner 1. FC Schweinfurt 05. Das war schon sensationell. Vielleicht war das 0:4 gegen Rosenheim schlussendlich sogar ein "Wachmacher", den wir kurz vor dem Saisonende noch einmal brauchten, um die letzten Prozente herauszuholen.
Mussten Sie denn als Trainer in dieser Phase viel auf Ihre Spieler einreden?
Rost: Natürlich haben wir das Erlebte nach dem Sieg in Bayern und bei der Niederlage gegen Rosenheim gemeinsam aufgearbeitet. Da war ich als Coach sicher auch gefordert. Aber uns war allen klar, dass wir den Blick nach vorne richten und eine Reaktion zeigen müssen. Entscheidend für Erfolg ist, dass du nicht liegenbleibst, sondern schnell wieder aufstehst. Das ist uns gelungen. Wir haben uns nicht von außen beeinflussen lassen, sondern nur auf uns geschaut. Das war ein Schlüssel zum Erfolg. Diese Phase hat einmal mehr bewiesen, was für eine mentale Entwicklung das Team in den vergangenen Jahren hingelegt hat. Ich könnte wirklich nicht stolzer auf die Jungs sein.
Bayreuth spielt jetzt erstmals seit 1990 wieder Profifußball. Wohin wird die Reise der SpVgg in den nächsten Jahren gehen?
Rost: Der Verein ist für mich weiterhin ein schlafender Riese. Die SpVgg Bayreuth gehört mit ihrer Tradition und Fankultur definitiv mindestens in die 3. Liga und ich denke, dass die Reise auch noch weiter nach oben gehen kann. Bayreuth ist eine Sportstadt. Durch den Aufstieg werden sicher nun noch mehr Menschen in die Stadien strömen, um die Mannschaft nach vorne zu peitschen.
Als Erfolgstrainer werden Sie das Team in der 3. Liga nicht weiter betreuen. Stattdessen werden Sie beim Zweitligaabsteiger FC Erzgebirge Aue an der Seitenlinie stehen. Wie betrachten Sie die Zeit in Bayreuth rückwirkend?
Rost: Es war eine unglaubliche Reise mit einem vervollständigten Plan. Als ich 2018 nach Bayreuth kam, wollten wir den Verein innerhalb von drei Spielzeiten in die 3. Liga führen. Das haben wir jetzt geschafft. Ich kenne Aue noch aus meiner aktiven Zeit bei Energie Cottbus. Hier gibt es eine tolle Fangemeinde und enorm große Fußballtradition. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit und auf die neue Herausforderung, die vor mir steht.
Autor: Christian Knoth/MSPW