Freiwillig auf einen Elfmeter verzichten? Genau das hat Maurice Strobel (23), Spieler des Regionalligisten FV Illertissen, getan. Seine Mannschaft spielt zuhause gegen den großen Favoriten FC Bayern München II. Es kommt zu einem Zusammenstoß im Strafraum. Der Schiedsrichter entscheidet auf Elfmeter. Doch Maurice Strobel steht auf und teilt dem Schiedsrichter mit, dass es sich nicht um ein Foul handele und der Elfmeter nicht berechtigt sei.
Vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) wurde er bereits als "Fair ist mehr"-Jahressieger ausgezeichnet. Und als bayerischer Landessieger war er für den DFB-Fair Play-Preis nominiert, der im Rahmen der Fair Play-Gala am 16. November in Düsseldorf vergeben wurde. Für die DFB-Fairplay-Medaille und Urkunde hat es durch die Nominierung schon gereicht, für den Gesamtsieg aber knapp nicht. Der ging nach Niedersachsen an Frank Mengersen. Der C-Jugendtrainer des BSC Acosta Braunschweig verzichtete freiwillig auf den Landesliga-Meistertitel. Was war passiert? Der C-Jugend des VfB Peine war der Sieg der Landesliga-Meisterschaft fast nicht mehr zu nehmen. Im Mai 2018 verunglückte der Kleinbus des Spitzenreiters, drei Jungen wurden schwer verletzt. Da die Mannschaft in den letzten Spielen nicht mehr antreten konnte, wäre der BSC Acosta Braunschweig Meister geworden. Doch so kam es nicht, denn BSC-Coach Frank Mengersen bewegte die noch ausstehenden Gegner des VfB Peine, ihre Spiele als verloren werten zu lassen. „Wir wollten nicht von dem Leid profitieren“, so Mengersen. „Wir wollten nicht, dass der VfB Peine noch einen Schicksalsschlag erleidet, und ihnen nicht die Meisterschaft nehmen.“
Im Interview spricht Maurice Strobel über Motive, Reaktionen und Folgen seiner fairen Tat.
Herr Strobel, wie lange begleitet Sie der Fußball bereits in Ihrem Leben?
Maurice Strobel: Schon sehr, sehr lange. Ich spiele Fußball seit ich etwa fünf oder sechs Jahre alt bin. Die jüngste Jugend hieß damals Bambini, meine ich. Seitdem habe ich nicht mehr aufgehört.
Momentan spielen Sie beim FV Illertissen in der Regionalliga Bayern. Erzählen Sie uns von dem Augenblick, als Sie beim Spiel gegen den FC Bayern München II dem Schiedsrichter sagten, dass Sie nicht gefoult wurden.
Strobel: Wir haben gegen Ende der Saison im eigenen Stadion gegen Bayern gespielt, das ist immer ein besonderes Spiel. Zwischen der 30. und 40. Minute habe ich einen Ball über die rechte Flügelseite angenommen. Kurz darauf bin ich mit einem gegnerischen Spieler im Sechzehner zusammengestoßen und wir sind beide zu Boden gegangen. Daraufhin hat der Schiedsrichter sofort gepfiffen und auf Elfmeter entschieden. Ich bin danach direkt auf den Schiedsrichter zugegangen und habe ihm mitgeteilt, dass es für mich in dieser Situation kein Foul und dementsprechend auch kein Elfmeter war.
Wie lange haben Sie über Ihre Entscheidung nachgedacht?
Strobel: Gar nicht. Ich würde sagen, es war eine Kurzschlussreaktion. In dem Moment habe ich gar nicht nachgedacht, warum ich das jetzt genau mache oder was passieren könnte.
Zu der Zeit stand es 0:0, es war also noch alles offen und Ihre Mannschaft hätte in Führung gehen können.
Strobel: In dem Moment habe ich nicht über das Ergebnis nachgedacht.
Sie sagen "in dem Moment". Wie dachten Sie kurze Zeit später über die Szene?
Strobel: Während des Spiels habe ich tatsächlich nicht mehr darüber nachgedacht. Ich würde sagen, das hat sich dann erst nach dem Spiel ergeben, als ich von meiner Mannschaft damit aufgezogen wurde (lacht).
Sie wurden dafür aufgezogen?
Strobel: Nein, während des Spiels hat mich meine Mannschaft gelobt und stand hinter mir. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Nach dem Spiel in der Kabine ist natürlich der ein oder andere Spruch gefallen, aber eher spaßeshalber.
Letztendlich hat Ihre Mannschaft das Spiel noch verloren. Fußballer sind bekanntermaßen ehrgeizig und möchten jedes Spiel gewinnen. Denken Sie, dass Erfolg und Fair Play in Konkurrenz zueinanderstehen?
Strobel: Ja, natürlich. Wir spielen in einer recht hohen Liga und hier besteht klar Leistungsdruck, das Spiel unbedingt gewinnen zu wollen. Deshalb wird meiner Meinung nach nicht jede Aktion mit einem Fair Play-Hintergedanken gespielt. Da wird natürlich des Öfteren nicht zugegeben, dass es sich um ein Foulspiel handelt, wenn es letztendlich spielentscheidend sein kann. Da gibt es dann natürlich ein Konkurrenzverhalten zwischen Erfolg und Fair Play.
Müsste es mehr Fair Play im Fußball geben?
Strobel: Das kann man schwer sagen. Es kommt immer auf die Spieler oder die Situation an. Ich würde sagen, bei mir war das an dem Tag eine außergewöhnlichere Situation, da ich das in der Form noch nie so erlebt habe. Klar hatte ich schon eindeutigere Elfmeter, die ich nicht zurückgenommen habe. Ich glaube, dass solche Fair Play-Entscheidungen immer kurzfristig und genau in dem Augenblick entstehen, deshalb lässt sich das nicht so pauschal sagen. Trotzdem denke ich, dass es dem Fußballspiel guttun würde, wenn mehr Profis, zu denen man aufschaut, fair handeln. Fair Play gehört zum Fußball dazu, sonst würde es auch nur halb so viel Spaß machen.
BFV/Fussball.de