Judith Huber goes Barcelona! Die Spielerin und Trainerin des TSV Vilslern nimmt als bayerische Vertreterin in der Sondergruppe „Mädchenfußball“ an der diesjährigen „Fußballhelden“-Bildungsreise im kommenden Mai teil. Anlässlich des Jubiläums „50 Jahre Frauenfußball in Deutschland“ hatte die DFB-Kommission Ehrenamt und der DFB-Ausschuss für den Frauen- und Mädchenfußball beschlossen, dass aus jedem der 21 Landesverbände ein weiterer Vertreter nach Spanien fahren darf. Der BFV hatte den zusätzlichen Platz Mitte Dezember für junge Ehrenamtliche im Freistaat, die sich in ihrem Verein in hohem Maße für den Frauen- und Mädchenfußball einsetzen, ausgeschrieben.
Hintergrund des Jubiläums: Auf dem DFB-Bundestag 1970 wurde das 1955 beschlossene Verbot für Vereine, Fußballangebote für Frauen und Mädchen zu schaffen, offiziell aufgehoben. In Folge dessen konnte sich der Frauenfußball in der Bundesrepublik bis heute in die Weltspitze entwickeln. Im Rahmen des Projekts „Fußballhelden“ werden jährlich junge Ehrenamtliche unter 30 Jahren für ihre Vereinstätigkeiten ausgezeichnet und zu einer fünftägigen Fußball-Bildungsreise eingeladen. Finanziell unterstützt wird der Trip nach Barcelona von BFV-Partner KOMM MIT.
„Ich freue mich riesig! Es ist toll, dass meine Arbeit für den Frauen- und Mädchenfußball so wertgeschätzt wird“, sagt Judith Huber im Interview. Außerdem spricht die 20-Jährige, die aktuell an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Ismaning studiert, über ihre Erwartungen an die „Fußballhelden“-Bildungsreise und erklärt, welche Möglichkeiten sie sieht, die öffentliche Wahrnehmung des Frauenfußballs zu stärken.
Herzlichen Glückwunsch, Judith – du darfst 2020 an der Fußballhelden-Bildungsreise teilnehmen!
Judith Huber: Vielen Dank, ich freue mich riesig! Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, finde es aber toll, dass meine Arbeit für den Mädchenfußball so wertgeschätzt wird.
Wie bist du auf die Ausschreibung aufmerksam geworden?
Huber: Der BFV hat die Aktion ja über seine Facebook-Seite beworben. Unter diesem Beitrag hat mich unser Vorstand Anton Kofler markiert. Auch unser Jugendleiter Tom Motzkus hat mich darauf aufmerksam gemacht. Und dann habe ich mich einfach mal beworben…
Es hat geklappt, im Mai geht’s für dich fünf Tage nach Barcelona. Mit welchen Erwartungen fährst du nach Spanien?
Huber: Vor allem freue ich mich darauf, dass ich Trainerkollegen aus ganz Deutschland kennenlerne und mich mit ihnen über unsere Erfahrungen austauschen kann. Und da es sich ja um eine Bildungsreise handelt, erhoffe ich mir auch viele neue Impulse für meine Trainertätigkeit bei den Mädels.
Du selbst spielst seit deinem sechsten Lebensjahr im Verein Fußball. Wie bist du dazu gekommen?
Huber: Ich komme aus einer fußballverrückten Familie. Mein Vater hat bei uns im Verein in der Zweiten Mannschaft gespielt bis er 50 war und war jahrelang Trainer. Ich habe außerdem vier ältere Brüder, die allesamt Fußball spielen – aktuell beim TSV Baierbach sogar in derselben Mannschaft. Schon bevor ich im Verein aktiv war, habe ich fast täglich bei uns um Garten gegen den Ball getreten und eines Tages hat mich mein Nachbar dann mit zum Training genommen. Es hat mir sofort Spaß gemacht, obwohl ich am Anfang immer das einzige Mädchen war…
Du sprichst es an: Bis zur U13 hast du bei den Jungs gespielt. Hat dich diese Erfahrung geprägt?
Huber: Auf jeden Fall. Gerade körperlich und technisch habe ich in dieser Zeit sehr profitiert. Das ist bei den Jungs einfach etwas ganz anderes als bei den Mädchen, so ehrlich muss man sein. Das Spiel ist viel schneller, körperbetonter und technisch anspruchsvoller. Ich habe zwar immer viele Tore geschossen, musste aber hart um meinen Stammplatz kämpfen. Bei den Mädels war es schon viel einfacher, der Unterschied ist enorm. Aus meiner Sicht ist es für Mädchen daher schon gut, am Anfang in einer Jungenmannschaft zu spielen. Mir hat das auf jeden Fall sehr geholfen.
Inzwischen stehst du ja auch als Trainerin an der Seitenlinie und hast die C-Lizenz erworben. Was fasziniert dich am Trainerjob?
Huber: Ich bin einfach der Typ dafür, Dinge zu hinterfragen. Gerade im Training. Mir war es zum Beispiel schon immer wichtig, zu verstehen, warum wir eine bestimmte Übung machen. Deswegen wollte ich auch unbedingt Trainerin werden. Es macht mir einfach Spaß, die Mädels spielerisch und persönlich weiterzubringen. Und es ist extrem interessant, zu beobachten, wie sich die Spielerinnen im Laufe der Zeit entwickeln.
Was macht aus deiner Sicht einen guten Trainer aus?
Huber: Ich finde es wichtig, dass neben dem fußballerischen Know-how auch das Pädagogische nicht zu kurz kommt – gerade im Amateurbereich. Außerdem ist Kritikfähigkeit eine bedeutende Eigenschaft. Man sollte sich als Trainer selbst reflektieren, also seine Entscheidungen und Wortwahl auch mal hinterfragen, und Feedback der Mannschaft einholen. Denn nur gemeinsam als Team kann man seine Ziele erreichen.
Du hast als Trainerin in einer Junioren-Mannschaft angefangen, jetzt trainierst du eine Mädchenmannschaft. Welche Unterschiede gibt es?
Huber: Der größte Unterschied ist die Kommunikation auf dem Platz. Bei den Jungs geht es viel lauter zu, da geben im Training schonmal sieben, acht Spieler Kommandos. Bei den Mädchen muss man froh sein, wenn überhaupt jemand den Mund aufmacht. Auch die Ansprache als Trainer ist anders. Bei den Jungs kann man viel direkter sein und offensiv Kritik äußern. Mädchen sind da sensibler. Mit ihnen muss man behutsamer umgehen und aufpassen, was man sagt. Lob ist viel besser als Kritik. Und im Zweifel ist es bei Einzelgesprächen besser, zu warten, bis die Emotionen ein wenig abgeebbt sind.
Hattest du bei den Jungs denn Startschwierigkeiten?
Huber: Überhaupt nicht. Es war für die Mannschaft überhaupt kein Problem, dass da plötzlich eine Frau an der Seitenlinie steht. Die Jungs haben das sofort akzeptiert und mich als Autoritätsperson wahrgenommen.
Der Frauen- und Mädchenfußball hat es in der öffentlichen Wahrnehmung oft nicht einfach. Woran liegt das?
Huber: Es geht ganz oben los, also bei der Nationalmannschaft und der Frauen-Bundesliga. Ein Problem ist natürlich, dass die Erfolge zuletzt ausgeblieben sind. Frühes Aus bei der EM und WM, dazu kein Olympia-Ticket – da ist es eben schwer, Werbung für den Frauenfußball zu machen. In gewisser Weise sehe ich auch die Medien in der Pflicht. Zwar überträgt Eurosport inzwischen jeden Freitag ein Spiel der Frauen-Bundesliga live und in der Sportschau gibt es am Samstag eine kurze Zusammenfassung, doch das ist immer noch viel zu wenig. Vielleicht muss man auch über die Anstoßzeiten diskutieren, mehr als 1000 Zuschauer kommen ja fast nie zu einem Spiel. Das hängt in meinen Augen damit zusammen, dass eigentlich alle Frauen-Mannschaften im Amateurbereich am Samstag spielen – fast zeitgleich mit der Bundesliga. Oder man macht’s wie in England: Dort müssen alle Premier-League-Klubs auch eine Frauen-Mannschaft stellen. In Deutschland ist das nicht der Fall, Dortmund oder Schalke setzen beispielsweise nur auf die Männer.
Und wie sieht’s im Amateurbereich aus?
Huber: Problematisch ist aus meiner Sicht die Konstellation der Mannschaften. Der Sprung von den Juniorinnen in den Erwachsenenbereich ist einfach zu groß. Eine U19 gibt es bei den Frauen eh nicht. Und weil es eben nicht so viele Spielerinnen gibt, müssen zum Teil schon 14- und 15-Jährige bei den Frauen ran. Der Altersunterschied ist dann schon extrem. Und das macht’s auch schwer, ein Mannschafts-Gefühl zu entwickeln.
Was kann ein Verein tun, um neue Spielerinnen zu gewinnen?
Huber: Wir setzen insbesondere auf Schnuppertrainings, die wir jeden Sommer zweimal pro Woche über einen Zeitraum von drei oder vier Wochen anbieten. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, um die zehn Mädels sind da eigentlich immer dabei. Aktuell planen wir eine Kooperation mit einer Schule. Doch das ist gar nicht so einfach. Generell sieht es bei uns aber schon ganz gut aus. Wir sind zwar nur ein kleiner Dorfklub, haben aber in der U13 eine Spielgemeinschaft, eine eigene U15 und U17 sowie zwei Frauenmannschaften.
Gibt es trotzdem auch bei euch noch etwas zu verbessern?
Huber: Auf jeden Fall, oft sind es nur Kleinigkeiten. Bei uns kommt es zum Beispiel fast nie vor, dass unsere beiden Frauen-Mannschaften ihre Heimspiele am selben Tag direkt hintereinander bestreiten. Bei den Männern ist das ja die Regel: Erst spielt die Zweite Mannschaft, dann die Erste. Da ist es ja ganz logisch, dass mehr Zuschauer kommen. Auch das Team-Gefühl ist ein ganz anderes, wenn man den gesamten Nachmittag gemeinsam auf dem Platz verbringt.
Was sagst du einem Mädchen, um es vom Fußball zu überzeugen?
Huber: Fußball ist die schönste Mannschaftsportart der Welt, bei der man seine Grenzen austesten kann. Und die Gemeinschaft steht im Vordergrund: Man gewinnt zusammen und man verliert zusammen. Deswegen muss man immer alles geben. Denn die eigene Leistung – ob gut oder schlecht – wirkt sich direkt auf das ganze Team aus. Außerdem ergeben sich durch den Fußball Freundschaften fürs Leben. Das ist für mich eigentlich das Wichtigste.