„Ja, das macht mich schon sehr wütend“, sagt Giorgio Cascino mit nachdenklicher Stimme: „Ich habe den Eindruck, dass einigen Leuten gar nicht bewusst ist, welche Ausmaße die Corona-Pandemie auch hierzulande annehmen kann. Das schockiert mich.“ Volle Cafés, Menschenansammlungen in Parks, sogenannte Corona-Partys: Cascino kann es nicht verstehen, er schüttelt ungläubig mit dem Kopf. Gerade mit Blick auf Italien. Dem Land, das am härtesten von der Ausbreitung der neuen Lungenkrankheit Covid-19 betroffen ist. Die Bilder gehen um die Welt.
Durch Cascinos Adern fließt italienisches Blut. Seine Eltern stammen ursprünglich aus Sizilien, kamen in den frühen 1980-er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland. Nach Bayern. Nach München. Für Giorgio, 1986 geboren, ist die bayerische Landeshauptstadt längst zur Heimat geworden. Er lebt hier mit seiner Frau und seinen drei Kindern, trainiert die E-Jugend beim FC Stern München.
Kontakt nach Italien hält Cascino weiter regelmäßig. Oft telefoniert der 34-Jährige mit Bekannten aus der Heimat seiner Eltern. Normalerweise wöchentlich, jetzt öfter. Als „kriegsähnlich“ werden ihm die Zustände dort beschrieben. Augenzeugen berichten ihm von den dramatischen Szenen, die sich in den Krankenhäusern abspielen, von der Überlastung des Gesundheitssystems, von der Hilflosigkeit und der großen Angst, die in dem Land umgeht, in dem er jedes Jahr seine Sommerferien verbringt. Doch an Urlaub ist derzeit nicht zu denken.
Gemeinsam mit seiner Familie verbringt Cascino die Tage in seinen vier Wänden. Er setzt sie Vorgaben der Politik konsequent um, tut das, was eigentlich jeder tun sollte, nach Bekanntgabe der Ausgangsbeschränkung am Freitag sogar jeder tun muss. Sie wollten ja nicht hören. „Der Schutz der Bevölkerung steht an erster Stelle. Deswegen sind die Maßnahmen vollkommen richtig. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen, dass die Ausbreitung des Coronavirus‘ eingedämmt wird“, sagt Cascino. „Wir wurden von der Politik an der langen Leine gelassen, wir durften raus, wir durften spazieren gehen. Doch einige Unbelehrbare haben den Bogen überspannt!“
Bei den Cascinos hat sich der Alltag in Zeiten sozialer Distanz eingespielt – trotz der drei Kinder. „Meine Frau und ich haben das Glück, dass wir beruflich so flexibel sind, dass immer einer von uns zuhause sein kann. Das spielt uns natürlich in die Karten“, sagt Cascino. Jetzt heißt es: Durchhalten, denn „jeder muss seinen Beitrag leisten“.
Natürlich vermisst auch Giorgio Cascino den Fußball. Er vermisst das Training mit seinem E-Jugend-Team, die sportliche Betätigung. Trotz gesperrter Sportanlagen versucht er seine Kids „bei Laune zu halten“, wie er sagt. Er dreht mit seinem Smartphone Videos mit Übungen, die auch im heimischen Wohnzimmer ausgeführt werden können, stellt seinen Schützlingen zudem herausfordernde Wochenaufgaben.
Das ist das Mindeste, was er tun könne. Er trage da auch eine gewisse Verantwortung, sagt er. „Ich lasse sie nicht alleine“, erklärt Cascino und appelliert an seine Trainerkollegen, aber auch an die Eltern: „Fußball ist aktuell wirklich zweitrangig. Haltet den Ball flach und setzt die Vorgaben der Politik konsequent um. Es ist Fußball, nicht mehr und nicht weniger. Es ist nicht so schlimm, wenn der Fußball mal ein paar Wochen ruht. Denn wir können damit Leben retten!“