Mit der Vereinstreue nehmen’s die meisten im Fußball ja nicht mehr so genau. Die Profis – bis auf wenige Ausnahmen – sowieso nicht. Und auch im Amateurbereich sind Wechsel zum Nachbarklub oder einem höherklassigen Team aus der Region mittlerweile an der Tagesordnung. Da ist man doch froh, wenn es noch vereinstreue Spieler wie Sebastian Beißer gibt. Beißer, mittlerweile 38, war eigentlich immer der Beste seines Jahrgangs. Ein Wechsel kam für ihn aber trotzdem nie infrage.
Warum auch? Er fühlte sich doch immer wohl bei seinem 1. FC Gunzenhausen, für den er seit nunmehr über 30 Jahre auf Torejagd geht. Und das mit dem Torschießen klappte schon immer erstaunlich gut. Erst in der Jugend, dann im Herrenbereich und auch jetzt noch, im Herbst seiner Karriere, in der AH und der zweiten Mannschaft.
Mehr Spiele als Philipp Lahm
Ganze 522 Mal stand Sebastian Beißer mittlerweile für seinen mittelfränkischen Heimatklub aus dem Fußballkreis Neumarkt/Jura auf dem Platz – alleine im Herrenbereich. Eine stolze Zahl. Zum Vergleich: Philipp Lahm, inzwischen wie Beißer 38 Jahre alt, absolvierte für den FC Bayern München „nur“ 517 Spiele. Gut, Lahm hat seine Fußballschuhe schon 2017 an den Nagel gehängt, hatte mit den Münchnern aber neben dem Liga-Alltag auch noch Duelle in der Champions League zu absolvieren. Und von der Königsklasse ist der 1. FC Gunzenhausen weit entfernt.
Beeindruckend sind auch Beißers Leistungen auf dem Platz. Bei seinen 522 Einsätzen im Herrenbereich hat der Außendienstler ganze 315 Tore erzielt und weitere 188 Treffer aufgelegt. Da Sebastian Beißer fußballerisch im offensiven Mittelfeld zuhause ist, taugt an dieser Stelle ein Vergleich mit Philipp Lahm nicht wirklich. Das wäre ungerecht für den Weltmeister-Kapitän. Deshalb eine andere Einordnung: 315 Tore sind etwas weniger als Robert Lewandowski – im Gegensatz zu Beißer ein waschechter Strafraumstürmer – für den FC Bayern bislang erzielt hat (321), dafür übertrumpft er mit 188 Vorlagen Franck Ribery, der für den deutschen Rekordmeister 162 Assists zustande gebracht hat.
Überragende Statistik
Alles in allem sind das 503 Scorerpunkte. Ein überragender Wert und Meilenstein, der vom 1. FC Gunzenhausen via Social Media natürlich auch entsprechend gewürdigt wurde. So wie sich das heutzutage gehört. Sebastian Beißer hat davon aber erstmal gar nichts mitbekommen, denn auf Facebook und Instagram ist der zweifache Familienvater nicht unterwegs. Er hat’s – quasi über den zweiten Bildungsweg – von einem Social-Media-affinen Freund erfahren. Zwei Tage, nachdem er im Spiel gegen SV Großweingarten die 500er-Marke übersprungen hatte.
„Mir war das gar nicht so richtig bewusst, aber klar freut mich das“, sagt Beißer und ergänzt: „Tore habe ich schon immer viele geschossen und als offensiver Spieler auch einige Vorlagen gegeben. So wichtig war mir das aber eigentlich nie. Wichtiger war mir immer, dass wir unsere Spiele gewinnen!“ So ist Sebastian Beißer eben. Den persönlichen Erfolg stellt er hinten an und rückt lieber andere ins Scheinwerferlicht. In diesem Fall Sven Kieslich.
Sven Kieslich ist Abteilungsleiter beim 1. FC Gunzenhausen und die Person, die dafür verantwortlich ist, dass es im Klub überhaupt eine Statistik über Einsätze, Tore und Vorlagen gibt. Denn erstaunlich ist das ja schon: Was im Profifußball nur einen Klick entfernt ist, ist bei einem Amateurklub alles andere als selbstverständlich.
Die Lebensversicherung für einen Verein
„Sven ist sehr Statistik-affin und führt seit vielen Jahren eine Liste. Er macht das für den ganzen Verein, auch für die Jugend. Das ist wirklich eine coole Sache, gerade auch für die Kids. Vor allem, weil neben den Toren auch die Vorlagen erfasst werden und so auch die Mannschaftsdienlichkeit belohnt wird“, sagt Beißer, der mittlerweile auch Jugendtrainer im Verein ist. Er trainiert die U9, in der der auch sein Sohn spielt. Für ihn eine Selbstverständlichkeit, schließlich möchte er seinem Herzensklub „etwas zurückgeben“.
Überhaupt ist Sebastian Beißer für den 1. FC Gunzenhausen viel mehr als nur Dauerbrenner, Torjäger und Vorlagengeber. Denn Amateurfußball findet bekanntlich nicht nur auf dem grünen Rasen statt. Es geht um mehr als nur um den Fußball. Ob bei Arbeitsdiensten am Sportheim, bei Vereinsfesten oder Hallenturnieren: Auf die helfende Hand des 38-Jährigen ist immer Verlass. „Leute wie Sebastian – wir haben da zum Glück noch ein paar mehr – braucht jeder Verein. Das sind die wichtigsten Helfer. Personen, die nach oder schon während ihrer aktiven Zeit ehrenamtlich Aufgaben übernehmen. Ohne diese Leute könnte kein Verein überleben!“, sagt Abteilungsleiter Sven Kieslich, der einfach froh ist, dass es noch vereinstreue Spieler wie Sebastian Beißer gibt. Und über die Tore und Vorlagen seines Schützlings freut er sich natürlich auch.