Anja Ströfer hat in der Jugend beim FC Bayern München gespielt, lief für den FC Ingolstadt 04 und den 1. FC Nürnberg auf, war U17-National- und BFV-Auswahlspielerin. Mittlerweile ist die 25-Jährige wieder für ihren Heimatverein TSV Georgensgmünd aktiv – und dort fester Bestandteil der ersten Herrenmannschaft. Möglich ist das durch ein Sonderspielrecht, das es Frauen in Bayern seit der Saison 2022/23 ermöglicht, auch im offiziellen Herren-Spielbetrieb mitzuwirken.
Am vergangenen Wochenende hat Ströfer, die als Projektleiterin im Hochbau tätig ist, nun auch ihr erstes Pflichtspieltor für ihr Team erzielt. Und was für eines: Im Duell gegen die (SG) DJK-SV Penzendorf II knallte die Mittelfeldspielerin in der 20. Spielminute den Ball aus gut 30 Metern zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich (Endstand: 2:1 für Georgensgmünd) ins Netz – das Video von ihrem spektakulären Treffer wurde in den sozialen Medien bereits über 500.000 Mal aufgerufen.
Im Interview spricht die C-Lizenz-Inhaberin, die auch als Co-Trainerin bei der U14-Juniorinnen-Bayernauswahl im Einsatz ist, über ihr Premierentor, ihre bisherige Karriere und die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfußball.
Anja, du hast am vergangenen Wochenende für die Herren des TSV Georgensgmünd ein Traumtor aus gut 30 Metern erzielt, das mittlerweile bei Social Media deutschlandweit für Furore sorgt. War das der schönste Treffer deiner bisherigen Karriere?
Anja Ströfer: Puh, das weiß ich gar nicht so genau. Aber einer der schönsten war’s bestimmt. (lacht)
Wie hast du die Situation in Erinnerung? Aus dieser Distanz muss man sich ja auch erst einmal trauen, abzuziehen …
Ströfer: Als der Ball zu mir kam, wusste ich erst gar nicht, was ich machen soll. Den Ball annehmen? Ihn zum Mitspieler durchlassen? In die Lücke durchstecken? Den Abschluss suchen? Ich habe mich für den Schuss entschieden – auch wenn der Linke eigentlich mein schwächerer Fuß ist. Doch ich habe mir gedacht: Warum nicht? Und als der Ball dann im Netz zappelte, habe ich mich natürlich sehr gefreut!
Du bist ja eigentlich nicht als Torjägerin bekannt.
Ströfer: Das stimmt, wirklich viele Tore habe ich bisher in meiner Laufbahn als Fußballerin noch nicht geschossen. Es war auch ganz witzig, weil vor dem Spiel noch ein Mitspieler zu mir gesagt hat: ‚Anja, heute schießt du ein Tor!‘ Und auch mein Trainer hat mich erst kurz zuvor darauf angesprochen. Ich war da allerdings ein bisschen skeptisch, weil Toreschießen – wie gesagt – bislang nicht meine Hauptdisziplin war.
Wie kommt es überhaupt, dass du als Frau in der Herrenmannschaft des TSV Georgensgmünd mitspielst?
Ströfer: Der TSV Georgensgmünd ist mein Heimatverein, dort habe ich meine ersten Schritte im Fußball gemacht. Hier herrscht ein tolles Vereinsleben, das ist wie eine kleine Familie für mich. Deshalb war schon immer klar: Hierher werde ich zurückkehren, wenn es für mich mit dem höherklassigen Fußball vorbei ist. Ich habe bei den Spielen eh schon immer zugeschaut, weil ein Großteil des Teams zu meinem Freundeskreis gehört, bin auch ab und zu ins Training der ersten Mannschaft gegangen – und als der BFV dann die Möglichkeit eröffnet hat, dass Frauen bei den Männern mitspielen können, habe ich mir ein Sonderspielrecht besorgt. Denn was gibt es denn schöneres, als mit Freunden auf dem Platz zu stehen?
Du hast in der Jugend beim FC Bayern gespielt und warst dann auch beim FC Ingolstadt 04 und dem 1. FC Nürnberg aktiv. Ist die A-Klasse da nicht ein großer Rückschritt?
Ströfer: Meine Karriere war von wenigen größeren Verletzungen geprägt. Nachdem ich aus München weggezogen bin, habe ich mit dem Studium angefangen und mir dann in meiner Zeit beim 1. FC Nürnberg das Kreuzband gerissen. Daraufhin habe ich beschlossen: Das war’s mit dem Leistungssport! Ich bin dann zwar beim SV Leerstetten nochmal in der Landesliga eingestiegen, doch als ich meine erste Vollzeitstelle angetreten habe, war mir klar, dass die Zeit einfach nicht mehr ausreicht, um regelmäßig zu trainieren und alles auf den Fußball auszurichten. Deswegen ist das so schon in Ordnung. Für mich ist es kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt in einem anderen Bereich.
Wie ist es denn, als Frau in einer Herren-Mannschaft zu spielen?
Ströfer: Gleich in meinem ersten Training habe ich richtig eins auf die Schlappen bekommen – und dabei eine noch größere Narbe als von meiner Sprunggelenks-OP davongetragen. Grüße gehen raus an dieser Stelle! (lacht) Im Ernst: Es ist schon ein großer Unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball, gerade was das Tempo angeht – auch in der A-Klasse. Ich bin durch meine Ausbildung beim FC Bayern zwar technisch und taktisch im Vorteil, musste mich aber an die Geschwindigkeit anpassen, gerade wenn es schnell gehen muss bei der Ballan- und -mitnahme oder beim Dribbling. Da kriegt man schon mal auf die Socken, wenn man zu lange braucht – und es tut auch mehr weh, wenn dir jemand draufsteigt, der 80, 90 oder 100 Kilo wiegt. Das sieht man auch an den blauen Flecken. Ich muss schon immer 110 Prozent gehen, um mithalten zu können. Aber ich brauche diese Herausforderung, das macht mir Spaß!
Gibt es auch mal negative Kommentare?
Ströfer: In meiner Mannschaft bin ich vollkommen akzeptiert, sonst würde ich das auch nicht machen und mich nicht wohlfühlen. Das weiß ich wirklich zu schätzen! Und auch bei den Gegnern sind die Rückmeldungen weitestgehend positiv, auch wenn natürlich ab und zu ein dummer Spruch kommt – gerade, wenn man mal einen Gegenspieler ‚ausschwanzt‘ und ihn stehen lässt oder foult. Da gab’s auch schonmal eine Beleidigung. Mir ist schon bewusst, dass es manche auch nicht so cool finden, dass ich bei den Männern mitspiele. Doch da stehe ich drüber, sonst hätte ich mich auch nicht darauf einlassen dürfen.
Aktuell stehst du mit deinem Team auf Platz eins: Welche Ziele habt ihr in der laufenden Saison?
Ströfer: Wir sind gut gestartet, doch die Meisterschaft oder der Aufstieg sind nicht das erklärte Ziel. Wir wollen eine gute Runde spielen und mit gewisser Leistungskonstanz oben in der Tabelle mitmischen. Welcher Platz am Ende herausspringt, werden wir dann sehen.