Im Oktober 2020 lief Julian Kania noch für den TSV Dinkelscherben II in der A-Klasse (Kreis Augsburg) auf. Knapp fünf Jahre später steht er kurz vor seiner ersten Zweitliga-Saison mit Arminia Bielefeld und hat auf dem Weg dorthin nicht nur die Torjägerkanonen in der Bayernliga, der Regionalliga Bayern und beim UEFA Regions‘ Cup abgeräumt, sondern in der Hauptstadt auch deutsche Fußballgeschichte geschrieben.
Im Interview spricht der 23 Jahre alte Torjäger über seinen verrückten – und in der heutigen Zeit doch sehr außergewöhnlichen – Karriereweg, die Gefühle nach seinem historischen Treffer im DFB-Pokal-Finale gegen den VfB Stuttgart und das Erfolgsgeheimnis von Arminia Bielefeld. Außerdem erklärt Kania, wieso er seinerzeit in der B-Jugend ein Angebot des TSV 1860 München ausgeschlagen hat.
Julian, musst du dich noch manchmal kneifen, um zu realisieren, was in den vergangenen Jahren in deinem Leben passiert ist?
Julian Kania: Mittlerweile nicht mehr. Es ging zwar alles sehr schnell, mit der Zeit habe ich das aber schon realisiert. Nachdem ich jetzt die erste richtige Profi-Saison hinter mir habe, auch zu 100 Prozent. Das war schon ein sehr erfolgreiches Jahr mit Arminia Bielefeld, das man nicht so schnell vergessen wird, und ich bin sehr froh, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe. Aber klar: Wenn man sich zum Beispiel nochmal das DFB-Pokal-Finale anschaut, dann ist das schon immer noch ein bisschen surreal.
Du hast bei der 2:4-Niederlage gegen den VfB Stuttgart sogar getroffen und dich in die Geschichtsbücher eingetragen: Du warst der erste und bisher einzige Drittliga-Spieler, der in einem DFB-Pokal-Finale ein Tor erzielt hat.
Kania: Das war schon ein geiles Gefühl, vor allem als nach dem Treffer mein Name durchgesagt worden ist. Wir haben am Tag davor noch im Olympiastadion trainiert und da kam mir das Stadion gar nicht so groß vor. Als wir dann aber am nächsten Tag das Spielfeld betreten haben und die Hütte voll war, war das schon richtig krass.
Vor nicht einmal fünf Jahren hast du noch für deinen Heimatverein TSV Dinkelscherben für die zweite Herren-Mannschaft in der A-Klasse gespielt. Der Gegensatz könnte wahrlich nicht größer sein.
Kania: Das stimmt. Eigentlich habe ich für die erste Mannschaft in der Kreisliga gespielt, aber an einem spielfreien Wochenende mal bei der Reserve ausgeholfen. Ich hatte einfach immer Lust zu kicken – und auch immer Spaß daran.
Du warst im Jugendbereich bei der TSG Thannhausen und dem FC Königsbrunn auch höherklassig unterwegs, bist dann aber in der B-Jugend zurück nach Dinkelscherben gewechselt. Wie kam’s zu diesem Schritt?
Kania: Als ich beim FC Königsbrunn gespielt habe, hatte ich auch Angebote von Profi-NLZs vorliegen, unter anderem auch vom TSV 1860 München. Dort war ich auch beim Probetraining und ich hätte zu den Löwen wechseln können. Ich habe mich aber bewusst dagegen entschieden: Ich wollte einfach nicht weg von meiner Familie und meinen Freunden; auch nicht auf eine andere Schule. Und außerdem hatte ich noch einige Kumpels, die in Dinkelscherben gespielt haben.
Bereust du es heute, dass du damals nicht nach München gewechselt bist?
Kania: Nein. Rückblickend habe ich ja alles richtig gemacht (lacht) . Aber klar: Das wäre damals schon ein guter Schritt gewesen. Aber der kam mir in diesem Moment einfach ein bisschen zu früh.
Also Kreisliga statt Junioren-Bundesliga ...
Kania: Genau. Aber das war damals nicht schlimm. Im Gegenteil: In Dinkelscherben hat es einfach richtig Bock gemacht!
Es folgte dann aber doch der Wechsel zum TSV Schwaben Augsburg in die Bayernliga.
Kania: Schwaben Augsburg hatte – auch bedingt durch die Corona-Zeit – eine schwierige Saison hinter sich und nur ganz knapp die Klasse gehalten. Deswegen hat sich der Verein damals dazu entschieden, auf junge Spieler aus der Region zu setzen, für die man auch nicht viel Geld bezahlen muss. Eben auf jemanden wie mich. Und das hat sich dann ja auch ziemlich gut entwickelt.
Du hast bereits in deiner zweiten Saison bei den Schwabenrittern mit 26 Treffern die Torjägerkanone geholt – vor einem gewissen Sascha Mölders …
Kania: Ich habe in dieser Zeit unter Trainer Janos Radoki einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht und bin viel fitter geworden. Ihm habe ich viel zu verdanken, auch wenn’s nicht immer einfach war. Ich habe damals noch in meinem Beruf als Rohrleitungsbauer gearbeitet, Fußball war zu diesem Zeitpunkt nur ein Hobby. Ich bin um sechs Uhr aus dem Haus, habe dann von sieben bis 17 Uhr gearbeitet und bin anschließend direkt ins Training. Dann habe ich eineinhalb Stunden trainiert und danach noch eine Stunde Läufe gemacht. Zuhause war ich erst gegen halb elf, ich habe dann nur noch schnell etwas gegessen und bin ins Bett. Das war schon sehr hart, gerade in der Vorbereitung. Aber es hat sich gelohnt!
War das der Zeitpunkt, an dem du realisiert hast, dass es vielleicht doch noch was werden könnte mit dem Traum vom Profifußball?
Kania: Ja, vielleicht. Es gab damals schon viele Angebote, vor allem von Regionalligisten aus ganz Deutschland. Ich habe das mit meinem damaligen Berater diskutiert und wir haben uns schließlich bewusst für eine U-Mannschaft entschieden. Und zwar für eine U-Mannschaft, deren erste Mannschaft nicht in der Bundesliga spielt. Und so fiel die Entscheidung dann auf den 1. FC Nürnberg. Beim Club hat man in den vergangenen Jahren gesehen, dass immer mal wieder Spieler aus der U21 in die Herrenmannschaft gerutscht sind. Das war eine vielversprechende Perspektive.
Der Plan ging voll auf. Du hast gleich in deiner ersten Saison in der Regionalliga Bayern 24 Tore geschossen und warst damit bester Schütze der Liga.
Kania: Ich konnte nicht wissen, dass es in der Regionalliga mit den Toren gleich so weiter geht. Und die Vorlagen waren ja auch ganz ordentlich. Natürlich war das top. Ich habe dann auch bei den Profis reingeschnuppert, mein Debüt in der 2. Bundesliga gegeben, Testspiele absolviert und am Trainingslager teilgenommen. Das war schon sehr cool.
Vor deinem Wechsel nach Nürnberg warst du noch Teil der BFV-Auswahl beim UEFA Regions‘ Cup, der Europameisterschaft der Amateure. Wie blickst du rückblickend auf dieses Turnier, bei dem du ja ebenfalls Torschützenkönig geworden bist und ihr die Bronzemedaille geholt habt?
Kania: Nur positiv! Wir waren eine richtig gute Truppe und haben uns von Beginn an super verstanden. Wir kannten uns zwar zum Teil schon von den Spielen in der Bayernliga, aber es war wirklich so, als würden wir uns schon viel länger kennen. Das hat menschlich, aber auch fußballerisch super funktioniert – und meinen goldenen Schuh habe ich jetzt natürlich auch in Bielefeld dabei.
Zurück nach Nürnberg: Trotz deiner so starken ersten Saison war deine Zeit beim Club nach nur knapp einem Jahr wieder vorbei.
Kania: Das war eigentlich nicht der Plan, um ehrlich zu sein. Aber es kam viel zusammen. Es kam ein neuer Trainer und ein neuer Sportvorstand – und dadurch hat sich etwas verändert.. Das war keine schöne Situation, aber es gab trotzdem einige Vereine, die sich für mich interessiert haben.
Zugeschlagen hat Arminia Bielefeld.
Kania: Das Gespräch mit dem Trainer und dem Sportvorstand hat mich direkt überzeugt. Der Verein hat sich sehr um mich bemüht. Es hat einfach gepasst und ich hatte direkt Bock auf diese Herausforderung. Bielefeld hatte zwar auch eine schwierige Saison hinter sich, es war aber klar, dass der Verein perspektivisch zurück in die 2. Bundesliga will. Und dann habe ich mich dafür entscheiden.
Sei ehrlich: Aus Bayern nach Ostwestfalen – wie groß war der Kulturschock für dich?
Kania: Nicht besonders groß, ich bin da ziemlich offen. Natürlich war es eine Umstellung, dass ich zum ersten Mal so richtig von zuhause weg bin. Aber ich bin ja nicht alleine hier. Meine Freundin, die auch schon in Nürnberg bei mir gewohnt hat, ist mit dabei. Wir leben hier zusammen mit unserem Hund. Das macht’s schon einfacher und man fühlt sich schneller wohl, wenn man mit der Family hier ist.
Du hast in deiner ersten Saison bei der Arminia 34 Spiele in der 3. Liga und vier im DFB-Pokal gemacht und warst mit 14 Toren treffsicherster Akteur. Am Ende seid ihr als Meister in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Wie fällt dein Fazit zu deiner ersten richtigen Profisaison aus?
Kania: Aus Sicht der Mannschaft war das vermutlich für 99 Prozent einmalig. Das Highlight war natürlich das Pokalfinale. Das war schon etwas sehr Besonderes, schließlich schaffen es auch die meisten Spieler nicht nach Berlin, die zehn Jahre in der Bundesliga spielen. Und eine Meisterschaft inklusive Aufstieg macht man ja auch nicht so oft mit. Das war fürs Team eine rundum gelungene Saison, auch wenn’s zwischenzeitlich nicht immer so aussah, dass es so ausgeht …
Was war euer Erfolgsgeheimnis?
Kania: Der Teamspirit war besonders und jeder hat an einem Strang gezogen. Wir haben uns nie aufgegeben, immer an uns geglaubt und waren physisch so gut drauf, dass wir auch hinten raus noch Spiele drehen konnten. Das war einfach ein sehr gutes Mindset, das wir hatten.
Und deine persönliche Bilanz?
Kania: Natürlich bin ich froh und auch stolz, dass ich so viele Tore gemacht habe und meinen Teil zum Teamerfolg beitragen konnte – auch wenn ich nicht immer gespielt habe oder nur von der Bank gekommen bin. Und das Tor im Pokalfinale war natürlich ein ganz besonderer Höhepunkt für mich persönlich. Trotzdem war ich nach dem Spiel sehr traurig, dass wir verloren haben. Da wäre auch mehr drin gewesen. Rückblickend überwiegt aber klar der Stolz!
Am Samstag seid ihr fulminant mit einem 5:1-Erfolg auf der Alm gegen Fortuna Düsseldorf in eure Saison in der 2. Bundesliga gestartet. Auch dank eines Elfmetertreffers von dir. Mit welcher Zielsetzung geht ihr in die neue Saison?
Kania: Wir schauen noch gar nicht auf die gesamte Saison, sondern erstmal von Spiel zu Spiel. Im September ist die erste Länderspielpause und bis dahin haben wir uns einiges vorgenommen. Klar, der Pokal hat seine eigenen Regeln, aber wir haben schon in der vergangenen Saison gezeigt, dass wir gegen Bundesligisten bestehen können. Wir haben einen guten Kader mit einigen erfahrenen Spielern und ich glaube, dass wir uns in der 2. Bundesliga etablieren können. Das könnte auf jeden Fall ganz gut werden!
Und welche Ziele hast du dir persönlich gesteckt?
Kania: Als Stürmer sind natürlich immer möglichst viele Tore oder Assists das Ziel. Wenn beides zweistellig wird, dann bin ich zufrieden (lacht).
In Bayern ist die Saison bereits gestartet. Verfolgst du den Fußball in deiner Heimat noch?
Kania: Selbstverständlich, sogar sehr intensiv! Mein Bruder spielt auch noch beim TSV Dinkelscherben und ich freue mich immer, wenn mein Heimatverein gewinnt. Und auch die Regionalliga Bayern verfolge ich weiter, gerade natürlich meine Ex-Klubs TSV Schwaben Augsburg und 1. FC Nürnberg II – da schaue ich mir auch immer die Highlights auf dem BFV-YouTube-Kanal an.