Leonhard Haas ist wohl der Senkrechtstarter unter den bayerischen Amateurfußball-Trainern. Zu Beginn seiner Laufbahn coachte der ehemalige Profi (u.a. FC Augsburg, SpVgg Greuther Fürth und FC Ingolstadt 04) seinen Heimatverein TSV 1880 Wasserburg von der A-Klasse bis in die Bayernliga – und das binnen fünf (!) Jahren. Seit dem Winter steht der 38-Jährige nun beim Regionalligisten SV Wacker Burghausen unter Vertrag und soll den Traditionsklub nach der durchwachsenen Hinrunde wieder zurück in die Erfolgsspur führen. Der Start verlief zumindest schon vielversprechend: Im ersten Pflichtspiel unter dem A-Lizenz-Inhaber feierten die Oberbayern einen 2:1-Auswärtssieg bei der Aschaffenburger Viktoria. Doch dann kam die Corona-Krise, zu einem weiteren Spiel ist es seither für Haas und sein neues Team nicht gekommen.
In seinem Gastbeitrag richtet sich der zweifache Familienvater nun an alle Amateurfußball-Trainer in Bayern, erklärt, wieso die Aussetzung des Spielbetriebs die richtige Maßnahme ist, wie er mit der aktuellen Situation umgeht und welche „Hausaufgaben“ er seinen Spielen für die fußballfreie Zeit mitgegeben hat.
Liebe Amateurfußball-Trainer,
aufgrund der Corona-Krise befinden wir uns in einer extrem schwierigen Situation. Mit Blick auf die Entwicklungen der vergangenen Tage und Wochen ist es aber ohne Frage der richtige Schritt, den Spiel- und Trainingsbetrieb bis auf weiteres einzustellen und das gesellschaftliche Leben weitestgehend einzuschränken. So schwer es uns auch fällt, auf den Fußball, unsere Leidenschaft, zu verzichten: Aktuell gibt es völlig andere Prioritäten – wichtig ist nun vor allem, dass wir gemeinsam die Ausbreitung des Coronavirus‘ verlangsamen. Und dafür ist es unverzichtbar, dass wir uns streng an die vorgegebenen Maßnahmen der Experten halten. Ich appelliere dabei an die Eigenverantwortung von uns allen!
Mir geht es wie Euch, niemand von uns hat eine derartige Situation – weder als Spieler noch als Trainer – jemals erlebt. Und die Lage stellt uns alle vor große Herausforderungen. Sportlich, aber auch familiär. Meine zwei Söhne sind beide in Sportvereinen aktiv, einer spielt Fußball, der andere Basketball. Auf diese Hobbys müssen sie nun erst einmal verzichten. Und da auch die Schulen geschlossen sind, haben sie nun natürlich sehr viel Freizeit. Die will aber auch gefüllt werden, was bei den vorgegebenen Einschränkungen allerdings nicht ganz einfach ist. Wir haben zum Glück einen Garten, sodass wir zumindest regelmäßig an die frische Luft können. Doch in den Städten sieht das schon ganz anders aus. Gerade für den Kopf ist das alles nicht einfach. Aber: Angst ist kein guter Ratgeber!
Natürlich vermisse auch ich den Fußball sehr, denn der Fußball begleitet mich schon mein ganzes Leben. Trainer zu sein, ist für mich nicht nur ein Job. Für mich ist es mehr. Es ist eine Leidenschaft. Das tägliche Training mit meinen Spielern macht mir enorm viel Spaß – gerade weil ich bei meinem neuen Team zuletzt eine Entwicklung gesehen habe, die in eine sehr positive Richtung geht, und alle voll mitgezogen haben. Der Sieg in Aschaffenburg war der erste Lohn für unsere harte Arbeit. Doch durch die Corona-Krise bleibt von meiner täglichen Arbeit nicht mehr viel übrig: Trainings- und Gegnervorbereitung, Spielanalyse – all das fällt nun beispielsweise weg. Das einzige, was mir noch geblieben ist, war es, meinen Spielern Trainingspläne für daheim anzubieten.
Orientiert habe ich mich bei der Gestaltung prinzipiell an den Vorgaben für die Winterpause. Denn wohl niemand schickt seine Mannschaft ohne einen Plan in die Weihnachtsferien. Ein wichtiger Baustein ist dabei, dass meine Spieler ihr konditionelles Level aufrechterhalten. Ich setze beim Lauftraining bewusst auf einen Mix aus Grundlagenausdauer, Intervallen und Ausbelastung. Zum einen, um Abwechslung zu schaffen, und zum anderen, um fußballspezifische Trainingsreize zu setzen. Zwar wird inzwischen in vielen Beiträgen die These vermittelt, Ausdauerläufe – also der klassische Waldlauf – würden nichts bringen. Ich bin anderer Meinung. Denn eine gewisse Grundlagenausdauer ist auch beim Fußball unverzichtbar – zumal jeder Spieler pro Partie über zehn Kilometer abspult. Aber wie gesagt, auf die Mischung kommt’s an.
In diesem Zusammenhang gehört natürlich auch eine gewisse Kontrolle dazu. Machen die Spieler wirklich das, was ich ihnen vorgebe? Zum Glück funktioniert das in der heutigen Zeit dank Smartphones, Smartwatches und den entsprechenden Apps ohne Probleme. Die Spieler schicken mir einfach ihre Trainingsdaten durch.
Neben der Kondition habe ich meinen Spielern ein Programm für die Bereiche Kraft und Stabilität mit auf den Weg gegeben. Dabei setze ich vor allem auf Übungen mit Eigengewicht. Etwas anderes ist gar nicht möglich, schließlich sind aktuell ja auch völlig zurecht Fitnessstudios tabu. Deshalb ergibt es wenig Sinn, Übungen mit Geräten anleiten zu wollen.
Zudem setze ich bei meinen Spielern auch auf deren Eigenverantwortung. Nicht nur im Umgang mit der Corona-Krise, sondern auch bei ihrer eigenen Fitness. Ich denke, ich kann mich sehr gut in die Sicht eines Spielers hineinversetzen. Und aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es für einen aktiven Spieler wenig Schlimmeres gibt, als nicht gegen den Ball treten zu dürfen. Genau deswegen werden sie nicht die ganze Zeit faul auf der Couch liegen, sondern aktiv etwas für ihre Fitness tun – auch ohne einen Trainingsplan. Denn sie brennen darauf, dass es wieder losgeht!
Wann das sein wird, kann im Moment niemand beantworten. Offiziell ist der Spielbetrieb bis 19. April ausgesetzt, aus meiner Sicht ist es aber nicht unrealistisch, dass die Pause sogar noch länger dauert. Warten wir es einfach ab und machen das Beste aus dieser schwierigen Zeit. Gemeinsam schaffen wir das – aber nur dann, wenn wir alle die Regeln befolgen!
Euer
Leonhard Haas