Geballte Fachkompetenz auf Einladung des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) zu Gast in Oberhaching: 215 Lizenztrainer der 64 bayerischen DFB-Stützpunkte und die vier hauptamtlichen bayerischen Stützpunkt-Koordinatoren haben sich an der Sportschule Oberhaching bei einem dreitägigen Trainer-Symposium intensiv über Lehrmethoden und aktuelle Entwicklungen in der Talentförderung ausgetauscht. Im Fokus stand dabei das Thema "Individualisierung". Am Ende zeigten sich auch DFB-Chefscout Urs Siegenthaler, Ex-Löwen-Trainer Daniel Bierofka und Holger Seitz vom FC Bayern München beeindruckt. Das Trio bot in einem Talk mit BFV-Präsident Rainer Koch auch einen Einblick in ihre Vorstellung einer zeitgemäßen Talentförderung.
"Unsere Stützpunkttrainer leisten exzellente Arbeit und garantieren an den 64 DFB-Stützpunkten eine Talentförderung auf Top-Niveau. Allein seit der Saison 2008/09 haben mehr als 1200 Spielerinnen und Spieler den Sprung von einem der 64 bayerischen Stützpunkte zu einem Profiklub geschafft. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Neben regelmäßigen individuellen Fortbildung ist im Trainerbereich vor allem auch der persönliche Erfahrungsaustausch extrem wichtig. Genau dafür ist das dreitägige Symposium an der Sportschule gedacht – und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Rückmeldungen aller Beteiligten sind absolut positiv", erklärte BFV-Vizepräsident Reinhold Baier.
Die zentrale Frage des Symposiums lautete: Wie lässt sich das Stützpunkttraining so gestalten, dass jedes Talent auch individuell für sich davon profitiert? Wie sich das in der Praxis umsetzen lässt, demonstrierten BFV-Cheftrainer Engin Yanova, die Verbandstrainer Daniel Jungwirth und Hartmut Herold sowie Damir Dugandzic (Sportlicher Leiter des DFB-Talentförderprogramms) in einer Praxis-Trainingseinheit auf dem Kunstrasenplatz der Sportschule. Aber auch die Theorie kam nicht zu kurz: BFV-Verbandsarzt Dr. Werner Krutsch vom FIFA Medical Centre Regensburg referierte über "Überlastungsprobleme im Jugendfußball", Markus Hirte (Leiter des DFB-Talentförderprogramms) stellte "kindgerechte Spielformen" vor. Über den Stellenwert der Sportpsychologie sprach Prof. Dr. Oliver Höner vom Institut für Sportwissenschaft an der Universität Tübingen.
Daneben gaben namhafte Referenten spannende Einblicke in die Nachwuchsarbeit bei den bayerischen Profiklubs: Gleich zum Auftakt betonte Michael Köllner, der den 1. FC Nürnberg als Trainer in die Bundesliga geführt hatte und aktuell den TSV 1860 München trainiert, die enorme Wichtigkeit der Persönlichkeitsförderung. "Die Individualisierung an den Stützpunkten – aber auch im Profibereich – ist der Schlüssel zum sportlichen Erfolg. Sie sorgt dafür, dass sich der einzelne Spieler und dadurch auch die gesamte Mannschaft und letzlich der ganze Klub verbessern", sagte der langjährige DFB-Stützpunktkoordinator.
Siegenthaler, Bierofka und Seitz diskutieren mit Koch
Zum Abschluss diskutierten DFB-Chefscout Urs Siegenthaler, Holger Seitz vom Führungsstab der Jugendabteilung des FC Bayern München, Ex-Profi und Trainer Daniel Bierofka sowie BFV-Präsident Rainer Koch in einer Talkrunde unter anderem darüber, was einen guten Trainer ausmacht, wie sich die Arbeit im Verband zu der im Verein unterscheidet und wo die deutsche Talentförderung im internationalen Vergleich steht.
Siegenthaler: „Weniger befehlen, mehr begleiten!“
DFB-Chefanalyst Siegenthaler zeigte sich vom dritten Trainer-Symposium beeindruckt: "Hut ab vor der Leistung des Bayerischen Fußball-Verbandes, der hier eine tolle Veranstaltung auf die Beine gestellt hat. Individualisierung ist für mich das Stichwort der Zukunft in der Talentförderung. Wir müssen kognitive Prozesse vorantreiben und die Spieler anhalten, selbst Lösungen und Handlungsoptionen zu finden. Als Trainer müssen wir dazu weniger befehlen, sondern mehr begleiten. Das erfordert womöglich eine andere Denkweise, zahlt sich aber auf jeden Fall aus – davon bin ich überzeugt."
Bierofka: „Spieler in freiem Denken nicht einschränken!“
"Ich denke, dass die Individualisierung ein großes Thema im deutschen Fußball werden wird. Es geht darum, sich wieder mehr auf die Spieler zu konzentrieren und sie dadurch auch zu spezialisieren. Ganz wichtig dabei ist, die Spieler in ihrem freien Denken nicht einzuschränken, sondern ihre Kreativität zu fördern und sie diese auch ausleben zu lassen", erklärte auch Bierofka, der in Oberhaching zum ersten Mal nach seinem Rücktritt bei den Münchner Löwen in der Öffentlichkeit gesprochen hat.
Seitz: „Stützpunkt als perfekte Basis“
Auch Holger Seitz, früher selbst als Verbandstrainer tätig, stellte den Mehrwert für die bayerischen Lizenztrainer heraus: "Wir haben in Deutschland und gerade in Bayern ein tolles Stützpunktsystem mit engagierten Trainerinnen und Trainern. Das ist nahezu eine perfekte Basis für die Ausbildung. Ich finde es toll, dass so viele Trainer bei diesem Symposium zusammengekommen sind, denn hier können alle Trainer immer wieder neue Dinge lernen, die sie dann bei der Arbeit an den Stützpunkten anwenden können."
"Interessante Erfahrungsberichte über den Trainingsalltag an den bayerischen Stützpunkten und bei bayerischen Profiklubs, Einblicke von Experten in Themen wie Scouting, Verletzungsprävention und Sportpsychologie und viel Zeit für den persönlichen Erfahrungsaustausch unter Kollegen – das dritte Trainer-Symposium in Oberhaching war einmal mehr eine rundum gelungene Veranstaltung. Ich bin mir sicher, dass alle Teilnehmer etwas für ihre Arbeit an den bayerischen Stützpunkten mitnehmen konnten", bilanzierte Verbandsjugendleiter Florian Weißmann, der zusammen mit dem für die Nachwuchsarbeit beim BFV mitverantwortlichen Abteilungsleiter Felix Brych das Symposium federführend organisiert hatte.
BFV-Präsident Rainer Koch ergänzte: „Das Symposium hat wieder einmal gezeigt, dass das Stützpunktsystem, das wir nach der EM 2000 ins Leben gerufen haben, lebt. Gerade nach der WM 2018 müssen wir wieder eine Aufbruchsstimmung erzeugen und erkennen immer mehr, dass die Ausbildung von Talenten in ganz jungen Jahren beginnt. Daher ist es entscheidend, überall in der Fläche präsent zu sein. Den DFB-Stützpunkten mit ihren Trainerinnen und Trainern kommt hier eine enorm wichtige Aufgabe zu. Denn ohne gute Trainer kann man auch keine gute Stützpunktarbeit leisten.“