Die Dame, die immer alles im Griff hatte ….
In der schwierigen Phase der Corona-Krise stehen wir im Austausch mit interessanten Gesprächspartnern aus der regionalen Schiedsrichterszene der SRG Bayerwald.
Heute im Talk eine sympathische Dame aus der Oberpfalz, mit einer spannenden und sehr erfolgreichen Vita als Schiedsrichterin.
Ulrike Kollmer (29), die aus Thenried im Landkreis Cham stammt und früher, wie auch heute noch als „Riedl Ulli“ bekannt ist, spricht im Interview über ihre Karriere als Schiedsrichterin, was sie heute in ihrer Freizeit so macht, über ihren beruflichen Werdegang und ob ihr die „Droge“ Fussball fehlt …
Hallo Ulli, schön dass du dir Zeit genommen hast. Du kannst definitiv eine erfolgreiche Schiedsrichterlaufbahn vorweisen. Sportlich warst du 10 Jahre in der Herren Bezirksliga aktiv, zudem viele Jahre DFB-Assistentin in der 2. Damen Bundesliga. Du hast 2017 deinen Rücktritt als Leistungsschiedsrichterin erklärt und bist aktuell kaum mehr im Einsatz. Wie zufrieden bist du mit deiner Karriere und wie sehr hat dich die Zeit als Mensch geprägt?
Um es vorneweg zu nehmen: Ich bin mit meiner Schiri-Karriere sehr zufrieden.
Klar hätte ich mir zum ein oder anderen Zeitpunkt mal eine (politische) Entscheidung zu meinen Gunsten gewünscht. Aber im Nachhinein betrachtet war alles gut, so wie es gelaufen ist. Ich blicke nun mit ein paar Jahren Abstand ohne Gram, mit Freude und einem Lächeln im Gesicht auf meine Schiri-Laufbahn zurück.
Wahrscheinlich kann man sagen: Ohne die Schiedsrichterei wäre ich nicht die Person, die ich heute bin.
Ich habe mit 13 Jahren die Schiriprüfung gemacht. Seit 2006 war die Schiedsrichterei immer an erster Stelle gestanden. Anfangs nur als Schiedsrichterin, dann als Junioren-Einteilerin und Mitglied im Lehrstab. Als eine der ersten weiblichen SR‘innen musste ich mir über die Jahre erst einen Namen machen und mich immer wieder aufs Neue beweisen und durchsetzen.
Bei jedem Spiel muss man sich auf neue Spielercharaktere einstellen und mit denen dann auch umzugehen zu wissen. Natürlich waren nicht immer nur positive Erlebnisse dabei.
Ich musste genauso Niederlagen einstecken. Man muss dann aber sich und seine Entscheidungen kritisch hinterfragen, auch mal Verbündete um Rat fragen, daraus lernen und es beim nächsten Mal einfach besser machen.
Dazu kommen aber auch die Freund- und Bekanntschaften, die man über die Jahre aufgebaut hat. Und ich mich immer wieder freue, alte Schiri-Kollegen oder Spieler zu treffen und mit denen zu plaudern.
Gerade als Frau war es im Männersport bestimmt nicht immer einfach. Was war denn dein persönlicher Trumpf in der Spielleitung? Und kannst du auf sehr spezielle Highlights zurückblicken?
Mein Trumpf war ganz oft ein Lächeln im Gesicht. Offene und ehrliche Kommunikation (auch mal nen Fehler zugeben) war mir auch ganz wichtig. Und manchmal einfach auch ein bisschen weiblichen Charme spielen lassen…
Puh, Highlights. Da muss ich jetzt schon länger überlegen …
Die Spiele in der 2. Frauenbundesliga oder DFB-Pokalspiele hatten immer ihr eigenes Feeling. Highlight war sicherlich auch ein Austauschspiel in Tschechien. Und natürlich „Schmankerlspiele“, mit denen man für seine Leistung über die Saison hinweg „belohnt“ wurde. Und mein letztes Spiel habe ich auch noch in Erinnerung, das war ein Entscheidungsspiel in der Oberpfalz, bei dem ich nochmal meinen langjährigen Assistenten Alex Lorenz an der Linie dabeihaben durfte.
Ansonsten habe ich viele Schiripersönlichkeiten kennenlernen dürfen, entweder auf Lehrgängen oder als ich als SRA bei denen dabei war. Davon kann man nur profitieren.
Du hast ja 2015 deinen Markus geheiratet, hast dann noch ein Jahr höherklassig gepfiffen. Was waren dann die Gründe zu Sagen ich tritt jetzt kürzer?
Da kamen mehrere Faktoren zusammen.
Der erste war sicherlich die Wohnsituation. Wir sind Anfang 2015 aus beruflichen Gründen nach Neumarkt gezogen. Wegen der Schiedsrichterei bin ich dann jedes Wochenende in den Bayerischen Wald gefahren. Und war dann dort Samstag und Sonntag wieder auf den Fußballplätzen unterwegs.
Beruflich war ich während der Woche auch noch viel auf Achse. Und am Ende war ich nur noch unterwegs. Das war mir dann zu viel.
Ebenso stand 2017 die Auflösung der Schirigruppe Bad Kötzting/Viechtach kurz bevor. Ich musste mich zwischen Gruppe Zwiesel/Bayerwald oder Cham entscheiden. Emotional war das eine sehr große Herausforderung: Die Schirigruppe Bad Kötzting, in der alles begann, wird es nicht mehr geben. Viele Schirikollegen, die über die Jahre zu Freunden wurden, gingen nun getrennte Wege. Die Auflösung der Gruppe Bad Kötzting hat dazu beigetragen, dass die Schiedsrichterei bei mir nicht mehr auf Platz 1 stand. Ich habe mich für die Gruppe Cham entschieden, weil es in der Gruppe Bayerwald zu Unstimmigkeiten bezüglich meiner Leistungsklasse/Qualifikation kam. Die Gruppe Bayerwald war monatelang noch aktiv und hat immer wieder versucht mich umzustimmen.
Jetzt im Nachhinein betrachtet, würde ich sagen, dass der Wechsel in die Schirigruppe Cham die Entscheidung meines Karriereendes nur noch erleichtert hat. Neue Gruppe, neue Leute, keine Verbundenheit … Ich bin der Gruppe Cham äußerst dankbar für die Aufnahme, die Betreuung, das Engagement und Entgegenkommen.
Böse Zungen behaupten du bist jetzt im Crossfit sehr aktiv? Wie kam es dazu?
Mit Crossfit habe ich im Herbst 2016 angefangen. In Neumarkt/Opf. hat zu dem Zeitpunkt eine neue Box (wie Crossfitter ihr Fitnessstudio nennen) eröffnet und das wollte ich einfach mal testen. Mittlerweile ist es eine Sucht. Ich gehe dort 4-5 pro Woche zum Trainieren.
Ihr wohnt berufsbedingt in Neumarkt, also nicht gerade der nächste Weg in den Bayerwald. Wo bist du tätig und schafft ihr es oft nach Hause?
Ich arbeite bei der Deutschen Bahn. Mittlerweile bin ich bei DB Regio AG im Personenverkehr (Sparte Bus) in Frankfurt/Main angestellt. Ich bin in der IT tätig und betreue verschiedene IT-Systeme, die für den Busverkehr notwendig sind. Mein Büro ist in Nürnberg, bin aber häufig deutschlandweit unterwegs.
Wir versuchen alle 4 bis 6 Wochen über’s Wochenende in den Bayerischen Wald zu fahren. Mittlerweile nur noch zu Besuch …
Abschließende Frage: Wie sehr bist du dem Schiedsrichterwesen bzw. dem Fussball im Allgemeinen noch verbunden? Sieht man eine Ulrike Kollmer als Schiedsrichterin nochmal am Spielfeld?
Nach meinem letzten gepfiffenen Spiel war ich 1,5 Jahre auf keinem Fußballplatz mehr. Und seitdem so fünfmal als Zuschauer. Ich bin noch Mitglied in der Schirigruppe Cham.
Als Schiedsrichterin wird man mich am Spielfeld nicht mehr sehen. Da wir im Juli zum ersten Mal Nachwuchs erwarten, stehen nun nochmal andere Dinge im Fokus. Ich habe mir immer gesagt: Wenn ich jemals wieder ein Spiel leiten würde, dann da, wo alles angefangen hat … im Bayerwald!
Da aber unser Lebensmittelpunkt in Neumarkt ist, ist für mich die Karriere wirklich beendet.
Vielen Dank für das Gespräch, Ulli! Bleib gesund und bis hoffentlich bald mal wieder! 😉
PS: Du weißt ja, im Bayerwald stehen dir die Türen immer offen ...
Das Interview führten Lehrwart Andi Egner und der Stellv. Obmann Marco Öttl
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